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Im Gespräch mit
Eduard Rollmann
30. August 2021
Der eTarif NRW bietet einen intuitiven Zugang zum ÖPNV
Im Gespräch mit Eduard Rollmann, Leiter des Kompetenzcenters Marketing NRW und Projektleiter eTarif der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW.
Nicht erst seit der Coronapandemie werden kontaktlos gekaufte Handytickets immer beliebter. Fahrgäste können mit dem Smartphone und der App ihres Verkehrsverbundes oder -unternehmens Mobilität ganz einfach als Service buchen. Das eröffnet neue Vertriebswege und Chancen für die Ansprache neuer Kundengruppen, die sich der Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen ab Dezember 2021 mit dem eTarif NRW erschließen will. Eduard Rollmann, Leiter des Kompetenzcenters Marketing NRW und Projektleiter eTarif bei der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW, gibt Einblicke in das ehrgeizige Projekt.
Smartphone statt Fahrschein: Ist das die Ticketlösung der Zukunft?
Eduard Rollmann: Es ist auf jeden Fall eine realistische Perspektive. Schließlich nutzen inzwischen nicht nur junge Kundinnen und Kunden die Handyticketangebote im Nahverkehr wie selbstverständlich. Das ist durch umfangreiche Marktforschungen belegt. Aber die Fahrgäste wollen noch mehr, nämlich Busse und Bahnen flexibel nutzen, einfach mit ihrem Smartphone ein- und auschecken. Sie wollen sich nicht mit unterschiedlichen Tarifen und Ticketpreisen auseinandersetzen. Die Ratlosigkeit oder auch die Kleingeldsuche vor dem Ticketautomaten sind schon lange bekannte Zugangshemmnisse, gerade auch für Kunden, die den ÖPNV nur gelegentlich nutzen. Wenn wir die schon eingeführten digitalen Mobilitäts- und Serviceangebote jetzt mit einer transparenten Tariflösung hinterlegen, schaffen wir ein nachhaltig kundenorientiertes Angebot. Dafür starten wir im Dezember 2021 den eTarif NRW.
In einer gemeinsamen Absichtserklärung haben sich der Aachener Verkehrsverbund, der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, der Verkehrsverbund Rhein-Sieg, die WestfalenTarif GmbH, der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe und das Verkehrsministerium Nordrhein-Westfalen verständigt, den neuen eTarif NRW gemeinsam umzusetzen. In dieser Dimension ist das einzigartig in Deutschland. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Einführung des eTarif NRW mit insgesamt 100 Millionen Euro.
Welche Vorteile bietet der eTarif NRW für die Kundinnen und Kunden im Nahverkehr?
Eduard Rollmann: Die Vorteile liegen auf der Hand: Kundinnen und Kunden brauchen kein „Tarifabitur“ mehr, um mit Bus und Bahn zu fahren. Der eTarif NRW bietet einen intuitiven Zugang zum ÖPNV. Die verbundweiten eTarife in NRW und deren Apps sind so konstruiert, dass die Verbundgrenzen während der Fahrt unsichtbar werden. Man muss sich an den Grenzen nicht neu einloggen oder gar seine Fahrt unterbrechen. Abgerechnet wird die Luftlinie zwischen Start und Ziel, und zwar automatisiert am Ende der Fahrt. Man zahlt nur, was man fährt. Eben einfach und fair.
Löst der eTarif NRW die bestehenden Verbundtarife und den NRW-Tarif ab?
Eduard Rollmann: Selbstverständlich nicht. Die bekannten Tarife, die sich vor allem bei unseren Abonnementkunden bewährt haben, bleiben bestehen. Mit dem eTarif NRW bieten wir eine neue Option, zum Start insbesondere für Gelegenheitskunden. Er ergänzt die schon bestehenden Tarife der Verkehrsverbünde und Tarifgemeinschaften um einen einheitlichen, kilometerbasierten Tarif und einfachen digitalen Zugang per Smartphone. Der Fahrgast checkt zu Fahrtbeginn einfach per Smartphone ein und am Ziel wieder aus. Verbund- beziehungsweise Tarifgrenzen spielen beim Buchen und Bezahlen einer Fahrt keine Rolle mehr.
Wie genau wird der Ticketpreis beim eTarif NRW berechnet?
Eduard Rollmann: Vereinfacht dargestellt, berechnet sich der Ticketpreis aus einem fixen Grundpreis und den Luftlinienkilometern zwischen Start und Ziel. Schneidet die Luftlinie dabei eine oder mehrere Tarifraumgrenzen, werden die Preise für die Luftlinienkilometer einfach addiert. Im Rahmen einer festgelegten Bandbreite variieren dabei die Preise von Tarifraum zu Tarifraum geringfügig. Dabei gibt es regionale und landesweite Preisobergrenzen. Fahrtkosten, die über 24 Stunden entstehen, sollen den Preis eines pauschalen Tagestickets aus dem jeweiligen Verbund- oder aus dem NRW-Tarif nicht überschreiten. Für Fahrten in mehr als einem Tarifraum liegt der Höchstpreis bei 30 Euro. Das ist auch der maximale Preis, den man in NRW für alle Fahrten in der 2. Klasse innerhalb von 24 Stunden berechnet bekommt
Wie werden Fahrten mit dem eTarif NRW abgerechnet?
Eduard Rollmann: Abgerechnet wird immer über die jeweilige Mobilitätsapp des Kunden. Zahlreiche Apps verschiedener Verkehrsunternehmen, Verbünde und Aufgabenträger, z. B. auch die mobil.nrw App werden die eTarife anbieten. Sie werden trotz unterschiedlicher Hintergrundsysteme in der Lage sein, die eTarife abzubilden und identische Fahrten entsprechend gleich zu bepreisen.
Können denn auch konventionelle Fahrkarten mit dem eTarif NRW verknüpft, also Abotickets bei der Fahrtbuchung hinterlegt werden?
Eduard Rollmann: Zunächst können über den eTarif NRW nur Fahrten in der 1. und 2. Klasse für Erwachsene gebucht werden. Zubuchungen von weiteren erwachsenen Personen, Kindern und Fahrrädern sind dabei ebenfalls direkt zum Start möglich. Konventionelle Abo- oder Zeittickets können mit den eTarifen in NRW allerdings noch nicht von Beginn an verknüpft werden. Dieses, sehr sinnvolle Feature, werden wir nach Einführung des eTarif NRW im Rahmen der nächsten Weiterentwicklungsschritte angehen.
Wie funktioniert der technische Vertrieb beim eTarif NRW?
Eduard Rollmann: Zum Start des eTarif NRW im Dezember 2021 werden voraussichtlich drei unterschiedliche Vertriebssysteme angeboten: das CiBo NRW, das beim überwiegenden Teil der Verkehrsunternehmen zum Einsatz kommen soll, das fairtiq-System bei den Kölner Verkehrsbetrieben sowie ein CiBo-fähiges System der Deutschen Bahn. Sie werden sich in ihrer Funktionalität, insbesondere beim Kunden-Frontend, unterscheiden. Das Grundprinzip eines einfachen, digitalen Zugangs mit einem Check-In/Check-Out bzw. Be-Out, automatischer Bepreisung sowie nachträglicher Abrechnung findet sich bei allen wieder. Am Ende entscheiden die Kundinnen und Kunden, welches System für sie am besten passt.
Welche technischen Voraussetzungen müssen die Fahrgäste mitbringen?
Eduard Rollmann: Die Fahrgäste benötigen ein Smartphone mit Internetanschluss. Die Betriebssysteme IOS oder Android werden von allen App-Anbietern unterstützt. Gegebenenfalls werden einzelne Apps auch auf anderen Betriebssystemen laufen können. Die Fahrgäste müssen je nach App auch über eine Kreditkarte verfügen.
Wie funktionieren Fahrkartenkontrollen beim eTarif NRW? Was passiert, wenn der Handyakku leer ist oder wenn man in einem Funkloch steckt?
Eduard Rollmann: Nach dem Check-in an der Starthaltestelle bekommen die Kunden einen Barcode aufs Smartphone geschickt. Diesen Barcode können sie dem Zugpersonal vorzeigen. Ein Funkloch ist kein Problem, da der Barcode bereits auf dem Handy liegt. Sollte der Smartphoneakku leer sein, müssen die Kontrolleure allerdings einen Bescheid über ein Erhöhtes Beförderungsentgelt ausstellen. Dann muss im Nachgang die Buchung geprüft werden. In der Startphase des eTarif NRW werden solche Fälle aber sehr kulant behandelt, schließlich müssen aber auch Regeln zum Umgang mit missbräuchlichem Verhalten und dessen Prävention getestet und umgesetzt werden.
Die tarifliche und vertriebliche Konzeption für den eTarif NRW ist abgeschlossen. Aktuell befinden sich die eTarife in NRW in der vertrieblichen Umsetzung, das heißt: Die Apps und Hintergrundsysteme werden anhand der tariflichen Vorgaben ertüchtigt mit dem Ziel, ab September 2021 ausführliche Testszenarien durchzuspielen.
Der eTarif NRW wird mit 100 Millionen Euro Landesmitteln bis 2031 gefördert. Welche Aufgaben sieht das Projekt bis dato vor?
Eduard Rollmann: Der Großteil des Fördervolumens ist zur Kompensation von Mindereinnahmen vorgesehen, welche die Verkehrsunternehmen durch die enorme Preisreduktion im Vergleich zum heutigen NRW-Tarif erwarten. Natürlich sind Mindereinnahmen nachzuweisen und rechtskonform abzuwickeln. Entsprechende Lösungen und Verträge sind bereits konzipiert. Darüber hinaus gilt es, einen möglichst breitflächigen Vertrieb des eTarif NRW über möglichst viele Apps sicherzustellen und wie schonerwähnt, den eTarif NRW weiter auszubauen – etwa mit Blick auf die Hinterlegung von Abotickets. Wichtig für die Weiterentwicklung sind weitere Analysen des Fahrverhaltens und der Nutzung durch die Kundinnen und Kunden sowie eine begleitende Marktforschung. Wir werden die Reaktion der Fahrgäste auf die Tarifinnovation gespannt verfolgen und offen für Ideen von Nutzerinnen und Nutzer sein. Wir sehen in den eTarifen großes Potential, weitere zukunftsoptimierte Tarifgestaltungen an den Markt zu bringen. Dafür wollen wir gemeinsam mit allen Partnern in NRW in der nächsten Zeit Ideen entwickeln – sowohl beim Tarif als auch bei dessen Vermarktung.