Mehr Daten
für nahtlose
Reiseketten
26. April 2024
Multimodale Mobilität durch Informationen vereinfachen
Die multimodale Datendrehscheibe NRW bildet seit 2021 ein zentrales Projekt in der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW. Projektleiter Clemens Behr stellt die Projektfortschritte vor und gibt einen Ausblick auf die Zukunft.
Die Verkehrswende im Blick, pilotieren immer mehr Kommunen und Verkehrsunternehmen in Nordrhein-Westfalen Angebote zur multimodalen Mobilität. Im Fokus steht eine nahtlose Reisekette mit Bussen, Bahnen und Sharing-Systemen sowie Möglichkeiten für Park+Ride oder Bike+Ride an Bahnhöfen und Mobilstationen. Reisende sollen ein verknüpftes Gesamtangebot flexibel und möglichst rund um die Uhr nutzen können. Dabei zeigen die Evaluierungen, dass die Akzeptanz mit der zuverlässigen und umfassenden Bereitstellung von Informationen über die gesamte Reisekette hinweg steigt. Hier setzen die Partner:innen in der ÖPNV Digitalisierungsoffensive mit dem Teilprojekt Multimodale Datendrehscheibe NRW (MDD NRW) an. Nach zwei Jahren Planung und Entwicklung sowie fünf Monaten Testphase ging die Datendrehscheibe im April 2024 in den Produktivbetrieb. Projektleiter Clemens Behr erklärt die Möglichkeiten des Hintergrundsystems und die damit verbundenen Chancen.
Warum braucht der NRW-Nahverkehr die Multimodale Datendrehscheibe?
Clemens Behr: Reisende im öffentlichen Verkehr wünschen und brauchen Mobilitätslösungen von Haus zu Haus. Insbesondere für die sogenannte erste und letzte Meile sind multimodale Angebote sehr gefragt – die Radbox oder der Park+Ride-Platz genauso wie ein entsprechendes Sharing-System am Start- bzw. Zielbahnhof oder auch dazwischen. Dabei wollen die Fahrgäste nicht nur wissen, ob es solche Angebote an ihren Stationen gibt, sondern auch, ob sie dort zum Zeitpunkt ihrer konkreten Fahrt überhaupt noch parken oder eben ein Sharing-Fahrzeug nutzen können. Hier kommt die Multimodale Datendrehscheibe NRW ins Spiel. Bislang gibt es in Nordrhein-Westfalen keinen verkehrsträgerübergreifenden Datenbestand und somit keinen Überblick über die verschiedenen, vorhandenen Mobilitätsoptionen. Verkehrsverbünde, Verkehrsunternehmen, Kommunen und private Mobilitätsanbieter halten ihre Daten in eigenen Informationssystemen mit unterschiedlicher Struktur, Qualität und Aktualität vor. Die multimodale Datendrehscheibe bildet ein Hintergrundsystem, das eben diese Daten bündelt und einheitlich bereitstellt.
„Alle Bürger:innen brauchen Informationen zum Planen individueller Mobilität. Diese Informationen sind – neben dem Beförderungsangebot selbst – ein elementarer Bestandteil der Daseinsfürsorge. Die dafür notwendigen Daten sind über die MDD NRW landesweit abrufbar.“
Projektleiter Multimodale Datendrehscheibe NRW
Wie funktioniert die Multimodale Datendrehscheibe?
Clemens Behr: Die MDD NRW ist ein Hintergrundsystem. Sie produziert keine eigenen Daten, sondern greift auf vorhandene Systeme und Schnittstellen der Verkehrsverbünde, Verkehrsunternehmen, Kommunen und privaten Mobilitätsanbieter zu, verknüpft die Daten verschiedener Lieferanten und stellt diese dann wieder über einen zentralen Zugangspunkt zur Verfügung. Das sind vornehmlich Fahrplandaten aus dem ÖPNV, Infrastrukturdaten zu Haltestellen, deren Ausstattung und Barrierefreiheit, Daten zu Park+Ride, Bike+Ride oder Radboxen, zu Mobilstationen sowie zur Verfügbarkeit von Sharing-Systemen privater Mobilitätsanbieter. Hinzu kommen Daten zu Mitfahrgelegenheiten, zu Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und zu Points of Interest, zum Beispiel Kundencentern, Ticketverkaufsstellen oder Taxiständen. Damit entsteht eine landesweite Lösung, um multimodale Reiseketten abzubilden und zu beauskunften.
Projektpartner
Innerhalb der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW hat der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) – in enger Abstimmung mit dem Kompetenzcenter Digitalisierung NRW (KCD) und der Zentralen Koordinierungsstelle ÖV-Datenverbund NRW (ZKS) sowie gemeinsam mit dem Aachener Verkehrsverbund (AVV), dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und dem Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) – seit 2021 den Aufbau der multimodalen Mobilitätsdatendrehscheibe umgesetzt. Das Projekt wird bis Ende 2024 mit 1,7 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Das Land NRW unterstützt mit weiteren 170.000 Euro Fördermitteln. Den verbleibenden Eigenanteil von etwa 550.000 Euro trägt der VRS.
Welche Mehrwerte schafft die Multimodale Datendrehscheibe NRW?
Clemens Behr: Die erste bzw. letzte Meile zum Bahnhof oder zur Busstation ist für den ÖPNV ein wichtiges Thema. Finden interessierte Kund:innen dafür schneller und flexibler eine Lösung, ist das ein deutlicher Push-Effekt. Die MDD NRW macht Multimodale Mobilität möglich, in dem sie Hürden zur Nutzung der Daten senkt. Zukünftig können Verkehrsverbünde und -unternehmen als primäre Nutzergruppe landesweit nahtlose Reiseketten in ihren Auskunftssystemen für ihre Kund:innen abbilden. Neben den Nutzer:innen profitieren ebenso die angeschlossenen privaten Mobilitätsdienstleister, deren Angebote mit wenig vertraglichem und technischem Aufwand über die ÖPNV-Apps dargestellt werden. Für die MDD NRW gibt es einheitliche Verträge und wir stellen sicher, dass Schnittstellen und Datenflüsse für die Datenlieferant:innen und für die Nutzer:innen ebenso wie der Datenschutz funktionieren.
Mehrwerte schafft die MDD NRW ganz besonders auch für die Kommunen, denn sie macht eine datenbasierte Planung von Mobilität und damit verbundenen Themen möglich. Mehrere Städte haben großes Interesse daran, die MDD NRW für ihre Smart City Apps zu nutzen. Ein weiterer Mehrwert für die Kommunen ist die Weitergabe von Daten zur Erfüllung gesetzlicher Bestimmungen an den Nationalen Zugangspunkt.
Mehrwerte der MDD NRW im Überblick
- Größere Sichtbarkeit von Angeboten multimodaler Mobilität
- Schnellere Informationen über neue Mobilitätsangebote
- Synergieeffekte zwischen Datenlieferant:innen und Datennutzer:innen
- Keine zusätzlichen Kosten für MDD NRW Datennutzung
- Geringere technische und rechtliche Aufwände zur initialen Einbindung in Auskunfts- und Informationsangebote (App/Web)
- Datenbasierte Planung von Mobilität
- Weitergabe von Daten zur Erfüllung gesetzlicher Bestimmungen an den Nationalen Zugangspunkt
- Gesicherte Funktionstüchtigkeit der Schnittstellen und Datenflüsse durch die MDD NRW
- Sicherstellung des Datenschutzes durch die MDD NRW
Die Testphase für die Multimodale Datendrehscheibe NRW ist beendet. Wie geht es jetzt weiter?
Clemens Behr: Über fünf Monate haben wir im VRS die MDD NRW bei der Integration in die Kundeninformationssysteme getestet. Diese beinhaltete die Anbindung der Datenquellen, den Abruf der Daten über die bereits umgesetzten Nutzerschnittstellen sowie die Vollständigkeit und die Verständlichkeit der Daten. Im April sind wir in den Produktivbetrieb gestartet, die MDD NRW ist also offen für die Kundeninformationssysteme der Verbünde und Verkehrsunternehmen. Interessierte Kommunen und Unternehmen aus der ÖPNV-Branche können sich gerne an uns wenden. Weiterhin werden wir sukzessive weitere Interessenten zur Teilnahme einladen. Nachdem wir schon viele überregionale und bekannte Sharing-Anbieter gewonnen haben, gehen wir auf regionale, kleinere Anbieter zu, die von den Mehrwerten der MDD NRW noch viel deutlicher profitieren. Die Breite unserer Daten ist schon sehr gut. Einige Smart City Apps und ÖPNV-Apps wie NAVEO im AVV, die in der Entwicklung stehende VRS App 2.0 oder die Westfälische Mobilitätsplattform werden oder sind bereits mit der MDD NRW verknüpft.
Projektentwicklung und -umsetzung
2021: Markterkundung, Erstellen eines Grobkonzeptes, Förderantrag
100 %
März 2022: Lastenhefterstellung
100 %
Juni 2022: Ausschreibung
100 %
Dezember 2022: Vergabe
100 %
2023: Anbindung, Bereitstellung, Bündelung statischer und dynamischer Mobilitätsdaten
100 %
2023: Konvertierung der Daten in Standardformate zum Abruf über einen Zugangspunkt
100 %
Dezember 2023: Testbetrieb und Friendly-User-Phase im VRS
100 %
April 2024: Start in den landesweiten Produktivbetrieb
100 %
September 2024: Vollausbau mit allen Funktionalitäten
10 %
Wo liegen noch Herausforderungen für die Zukunft?
Clemens Behr: Wir sind immer noch in der Entwicklung bestimmter Funktionalitäten für die Nutzer:innen der MDD NRW und für uns als Betreiber. Dazu gehören ein Monitoring, ein Datenkatalog und ein ansprechendes Design für das Informations- und Datenportal sowie weitere standardisierte Nutzerschnittstellen für Daten. Wichtig sind auch Services, die auf den Daten aufbauen – unter anderem eine Erreichbarkeitsanalyse bestimmter Gebiete (zum Beispiel Gewerbegebiete) oder die zeitliche Prognose zur Verfügbarkeit von Sharing-Angeboten.
Zukunftsziele
Der Auf- und Ausbau der Multimodalen Datendrehscheibe NRW erfolgt in enger Abstimmung mit dem Landesprogramm Mobility-as-a-Service (MaaS NRW) und der Landesagentur NRW.Mobidrom. Ein landesweit zentraler, verkehrsträgerübergreifender Datenzugang soll die Mobilitäts- und Infrastrukturdaten des ÖPNVs, des Individualverkehrs und der Nahmobilität (Fuß- und Radverkehr) sowie der sogenannten Neuen Mobilität in Nordrhein-Westfalen transparent bündeln und diskriminierungsfrei bereitstellen. Die Megatrends Nachhaltige Mobilität und Sharing werden dadurch landesweit öffentlich sichtbar und für die Menschen einfach zu nutzen.
Grafik: © VRS GmbH / visualisierungs-fuchs.de ; Porträt: @ VRS GmbH / Smilla Dankert