"Wenn wir praktisch in Echtzeit Daten zur Auslastung gewinnen können, dann lassen sich zukünftig sogar kurzfristige Kapazitätsanpassungen durchführen, wie es aktuell – mit einer gewissen Planungszeit – bei Großveranstaltungen der Fall ist."
Beim Thema Qualität und Komfort im SPNV spielen drei Kriterien eine zentrale Rolle: Pünktlichkeit, Sauberkeit und die Gesellschaft der Mitreisenden bzw. die Auslastung der jeweils genutzten Fahrzeuge. Viele Nahverkehrskund:innen möchten wissen, wie voll ihre Bahn ist, bevor sie zur Haltestelle aufbrechen. Rechtzeitige Informationen über das Fahrgastaufkommen und zusätzliche Fahrtmöglichkeiten kommen diesem Kundenwunsch entgegen.
Nicht nur mit Blick auf die Abstandsregeln in Pandemie-Zeiten wünschen Fahrgäste ausreichend Platz in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das gibt Sicherheit und ein gutes Gefühl, wenn es um die eigene Gesundheit geht. Die Vorteile digital integrierter Auslastungsinformationen liegen da auf der Hand: mehr Reisekomfort, Ausweichmöglichkeiten und letztendlich eine bessere, schnellere Fahrt. Schließlich entstehen viele Verspätungen auch durch ein zu hohes Fahrgastaufkommen. Auslastungsinformationen als neuer Service in den Fahrplanauskünften der NRW-Verkehrsunternehmen bilden somit eine langfristige Entwicklung hin zu mehr Kundenorientierung ab.
Positive Auswirkungen auch auf Verkehrsströme
„Von digital integrierten Auslastungsinformationen profitieren Nahverkehrskund:innen nicht nur auf ihren direkten Wegen, also unmittelbar vor oder während ihrer Fahrten. Langfristig können diese Daten bei den Verkehrsunternehmen flexible Kapazitätsanpassungen ermöglichen und so die Angebotsqualität insgesamt verbessern“, erklärt David Lopez, Projektmanager IT und Digitalisierung beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Denn die Unternehmen planen die Taktung der Linien basierend auf deren Nachfrage und Auslastung. Diese Wechselwirkung ist maßgebend für die Planung pünktlicher Verbindungen.
"Wenn wir praktisch in Echtzeit Daten zur Auslastung gewinnen können, dann lassen sich zukünftig sogar kurzfristige Kapazitätsanpassungen durchführen, wie es aktuell – mit einer gewissen Planungszeit – bei Großveranstaltungen der Fall ist."
In den Verkehrsverbünden Rhein-Ruhr (VRR) und Rhein-Sieg (VRS) werden Daten über die Fahrzeugauslastung im Regionalverkehr bereits gesammelt und in der jeweiligen Verbund-App an die Kund:innen weitergegeben.
Darstellung durch Piktogramme
In ihren Apps nutzen beide Verbünde Piktogramme zur Darstellung ihrer Auslastungsprognosen. Diese kennzeichnen die maximale Auslastungserwartung der gewählten Verbindung in 25-Prozent-Schritten mit den Kennzeichnungen: gering, mittel, hoch und sehr hoch.
Informationen zu kurzfristigen Umplanungen in der Fahrzeugzuteilung, z. B. wenn der jeweilige Zug mit einem Waggon weniger als geplant unterwegs ist, sollen in fortlaufenden Entwicklungsschritten in die Systeme eingebunden werden. Ticketverkäufe dagegen spielen in diesen Datensätzen nur eine untergeordnete Rolle. Denn anders als im Fernverkehr der Deutschen Bahn, wo ein großer Teil der Fahrkarten an feste Verbindungen gebunden ist, gelten Nahverkehrstickets zumeist eher für größere Verkehrsräume und einen begrenzten Fahrtabschnitt bzw. Zeitraum. Zudem ist die Taktung von Regionallinien höher, sodass eine spezifische Vorhersage durch Ticketverkäufe zu ungenau wäre.
Auslastungsinformationen über Verbundgrenzen hinaus für ganz NRW
Die bisher entwickelten Technologien zur Analyse der Fahrzeugauslastung sind momentan innerhalb der Fahrplanauskunftssysteme von VRR und VRS aktiv verfügbar und die gewonnenen Daten zum Fahrgastaufkommen werden in die Apps der Verkehrsunternehmen übermittelt. So können seit Herbst 2020 Nahverkehrskund:innen in beiden Verbünden Informationen zur Fahrzeugauslastung nutzen und damit überfüllte Zugfahrten vermeiden. Der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und der Aachener Verkehrsverbund (AVV) schaffen gerade die technischen Grundlagen, um Auslastungsinformationen analog zum Vorgehen von VRR und VRS bereitzustellen.
Umsetzung im ÖV-Datenverbund
Damit alle Partner im NRW-Nahverkehr von den entwickelten Technologien profitieren, wurde das Teilprojekt "Auslastungsinformationen in der Fahrplanauskunft" gestartet. Die Projektleitung liegt beim ÖV-Datenverbund. Ziel ist eine flächendeckende Integration von Auslastungsinformationen in die landesweiten Auskunftssysteme, wie Koordinatorin Nadine Kaup erklärt.
"Das Projektziel ist klar definiert: mehr Komfort für die persönliche Fahrtenplanung. Der Lösungsvorschlag zur Umsetzung wurde im ÖV-Datenverbund durch und für alle Partner im NRW-Nahverkehr gemeinsam erarbeitet und abgestimmt."
Im weiteren Verlauf der technischen Entwicklung sollen Nahverkehrskund:innen in ganz NRW ihre Fahrten nach Komfort wählen und planen können – auf mobilen Kanälen. Das NRW-Verkehrsministerium fördert die Entwicklung mit 1,3 Millionen Euro.
„Wir bringen Auslastungsinformationen in den öffentlichen Personennahverkehr. Gemeinsam. Einheitlich. Verständlich.“ Unter diesem Motto beteiligen sich Expert:innen von VRR, VRS und NWL an der bundesweiten „Brancheninitiatitve Auslastungsinformationen“ (kurz: BRAIN). Von der DB Regio ins Leben gerufen, werden in dieser Arbeitsgruppe künftige Standards hinsichtlich technischer und visueller Aspekte von Auslastungsinformationen erarbeitet, um aus regionalen Lösungen einen bundesweiten Ansatz zu entwickeln. Die Expertise der Kolleg:innen des ÖV-Datenverbunds ist zudem in die VDV-Mitteilung 7052 – „Auslastungsinformationen in der Fahrgastkommunikation“ eingeflossen.
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