Offene Daten
für mehr Mobilität
23. Februar 2022
Barrierefreies Reisen dank Open-Data-ÖPNV
Mit Hilfe öffentlich zugänglicher Daten soll Mobilität in ganz Europa attraktiver werden.
Wie können Zugangsbarrieren beim Bus- und Bahnfahren reduziert werden? Und inwieweit können multimodale Angebote vorangebracht werden? Die Verfügbarkeit von offenen Datenpaketen ist eine entscheidende Voraussetzung zur Weiterentwicklung des ÖPNV. Durch die Delegierte Verordnung 2017/1926 hat die Europäische Kommission deshalb alle EU-Mitgliedsstaaten zur Bereitstellung von statischen und dynamischen Daten für Reiseinformationsdienste über einen nationalen Zugangspunkt verpflichtet. Im Rahmen der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW wurde das Teilprojekt „Open Data Portal“ realisiert. Dominik Köller vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) fungierte als Projektleiter und gibt Einblicke, wie durch die Bereitstellung vorliegender Daten Mehrwerte für Datenanbieter:innen, Datennutzer:innen und Mobilitätskund:innen generiert werden können.
Wozu dient das Open Data Portal und wie integriert es sich in die deutschland- und europaweite Initiativen?
Dominik Köller: Durch die 2017 verabschiedete Delegierte Verordnung 2017/1926 der Europäischen Kommission sind alle Verkehrsbetreiber und -anbieter in der EU seit Ende 2019 dazu verpflichtet, Reise- und Verkehrsdaten zugänglich zu machen. Aus diesem Anlass riefen mehrere Verkehrsverbünde in ganz Deutschland (u. a. der Hamburger Verkehrsverbund, der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg und der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr) im Mai 2018 die Initiative „Deutschlandweite Open Data Plattform Open-Data-ÖPNV (DODP ÖPNV)“ ins Leben. Im Rahmen des Teilprojekts Open Data Portal wurden auch der Aachener Verkehrsverbund (AVV), der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) und der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) Teil der Initiative. Durch die Koordination des VRR ist ein Portal entstanden, das sich - neben der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben - der Förderung und Weiterentwicklung innovativer Mobilitätskonzepte angenommen hat und über welches die von der Delegierten Verordnung 2017/1926 sowie der im September 2021 in Kraft getretenen Mobilitätsdatenverordnung geforderten Daten dem Nationalen Zugangspunkt zur Verfügung gestellt werden.
Das Portal Open-Data-ÖPNV ist bereits seit 2018 erreichbar. Wer nutzt die offenen Daten aus dem ÖPNV?
Dominik Köller: Neben der Open Data-Community gehören dazu öffentliche Institutionen wie z. B. der Regionalverband Ruhr, privatwirtschaftliche Einrichtungen, insbesondere aus dem Mobilitätssektor, aber auch Privatpersonen, die eine Affinität zum Verkehrssektor und zur Anwendungsentwicklung haben. Allein im Jahr 2021 wurde das Portal über 50.700 Mal von ca. 10.000 Besucher:innen aufgerufen. Die Seite wurde dabei nicht allein aus Deutschland, sondern u. a. auch aus den USA und China aufgerufen.
Woher kommen die User:innen, die Daten von Open-Data-ÖPNV abfragen?
Quelle: OpenData ÖPNV
Und diese Gruppen dürfen alle Daten aus dem Portal nutzen?
Dominik Köller: Ja, alle auf dem Open-Data-ÖPNV-Portal verfügbaren Daten dürfen nach Kenntnisnahme der Lizenz-/Nutzungsbedingungen entsprechend abgerufen und genutzt werden. Lediglich für den deutschlandweiten Datensatz des DELFI e. V. ist eine einmalige Registrierung erforderlich, da so die Vorgaben der Delegierten Verordnung bzw. des Personenbeförderungsgesetzes eingehalten werden können.
Vertrauen schaffen – Austausch erleichtern
Ursprüngliches Ziel der Initiator:innen war die Förderung von innovativen Mobilitätskonzepten und der Aufbau einer zentralen Anlaufstelle für Mobilitätsdaten des ÖPNV im Kontext offener Daten. Unternehmen und Kommunen brauchen qualitativ hochwertige Daten, damit digitale Innovationen für Nutzer:innen Mobilitätslösungen „aus einem Guss“ ermöglichen. Mit der Bereitstellung von Daten in einem offenen, maschinenlesbaren Format gilt es, Transparenz, Vertrauen und Verständnis zu schaffen, neue Ideen für eine bessere Mobilität zu generieren und den Austausch zwischen allen Beteiligten zu fördern. Was als pragmatischer Zusammenschluss von Tarif- und Verkehrsverbünden begonnen wurde, hat sich zu einem zentralen Baustein der Umsetzung eines Nationalen Zugangspunktes (NAP) für Daten und Dienste des ÖPNV in Deutschland entwickelt.
Inwieweit konnten Mobilitätsprojekte durch Open Data ÖPNV auf den Weg gebracht werden?
Dominik Köller: Im Portal finden sich bereits viele verschiedene Showcases. Dazu gehören offizielle Projekte wie "NEMO – Neue Emscher Mobilität" oder der "VRR Fahrtenplaner" als Tool für Fahrgastinformationen im Rahmen von Veranstaltungen, aber beispielsweise auch ein Projekt eines OpenStreetMap-Fans. Das zeigt die Möglichkeiten, die das Portal bietet. Die Open Data-Community ist hier aufgrund ihrer Kreativität und des technischen Know-how, wodurch innovative Ideen entstehen und entsprechende Anwendungen angestoßen werden, eine grandiose Partnerin. Viele Anwendungen, die heute auf dem Markt sind, haben ihren Ursprung in der Open Data-Community.
Offene Daten schaffen Transparenz, wodurch die jeweiligen Datenbereitsteller in Austausch treten. Der Austausch bildet die Basis für die Verknüpfung von Daten und Anwendungen – und somit auch zwischen den Mobilitätsdiensten.
Das Personenbeförderungsgesetz sieht für 2022 eine „vollständige Barrierefreiheit“ im ÖPNV vor (§8 Abs. 3). Welche Rolle spielen offene Daten bei der Aufbereitung von Reiseinformationen im Kontext der Barrierefreiheit?
Dominik Köller: Barrierefreiheit im ÖPNV ist ein vielschichtiges Thema. Neben dem Ausbau der Infrastruktur und der barrierefreien Gestaltung der Fahrzeuge zählen dazu u. a. auch die Barrierefreiheit von Anwendungen und die Erfassung des Zustands von Infrastruktur in Echtzeit. Durch offene Daten mit Bezug zur Barrierefreiheit können u. a. Anwendungen entworfen werden, die die Handlungsmöglichkeiten von mobilitätseingeschränkten Personen erweitern. Ebenso tragen die Daten dazu bei, entsprechende Anwendungen zu versorgen – z. B. mit dem Betriebszustand von Aufzügen, durch welche der Zustand der Barrierefreiheit in Echtzeit dargestellt werden kann. Aufgrund von Vandalismus, Wartungsarbeiten oder technischen Defekten kann die Zugänglichkeit von ÖPNV-Halten insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personen beeinträchtigt werden.
Wie kann das Open-Data-Portal zur Förderung einer nachhaltigen Mobilität beitragen?
Dominik Köller: Die "Deutschlandweite OpenData-Plattform im ÖPNV" (DODP ÖPNV) steht allen Interessierten, die Daten bereitstellen und abnehmen, zur Verfügung und die Resonanz ist durchweg positiv. Aktuell planen wir einen Ausbau des Datenportfolios entsprechend den Vorgaben der Mobilitätsdatenverordnung. Die DODP ÖPNV stellt dem Nationalen Zugangspunkt seit Dezember 2019 deutschlandweite Fahrplandaten bereit. Eine Anbindung an den europäischen Datenraum Mobilität wird gegenwärtig abgestimmt. Durch die vorausschauende Anpassung der Systemarchitektur im Jahr 2019 sind wir in der Lage, eine Anbindung zu realisieren.
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