Durchgängig
barrierearme
Mobilitätsketten
24. Februar 2023
Größtmögliche Mehrwerte für mobile Menschen schaffen
Die Idee der Barrierefreiheit im ÖPNV wurde mit Big Bird Westfalen konsequent weitergedacht: Denn eine durchgängig barrierearme Mobilitätskette beginnt bereits mit der einfachen Nutzung einer App.
Seit Dezember 2021 bietet der eTarif eezy.nrw einen intuitiven Zugang zum Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen. Mit Teilprojekten wie Big Bird Westfalen wurden zuvor Technologien für die eTarif-Synchronisation und ein funktionales CheckIn/BeOut-System entwickelt. Fast nebenbei hat Big Bird wichtige Anforderungen an die Barrierefreiheit im ÖPNV formuliert. Projektleiter Jörn Peters beschreibt die Chancen für barrierearme Mobilitätsketten.
Big Bird Westfalen wurde als Teilprojekt der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW im August 2022 erfolgreich beendet. Was passiert nun mit Big Bird?
Jörn Peters: In der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW war Big Bird ein grundlegendes Teilprojekt im zentralen Projekt „eTarif“ und hat erstmals in Deutschland einen eTarif im Regelbetrieb realisiert. Nach wie vor macht uns das im Kreis Soest, im Hochsauerlandkreis und im Kreis Unna zu einer digitalen Modellregion mit Strahlkraft. Wir haben mit Big Bird eine Technologie entwickelt, die sich perfekt in alle Produktionsumgebungen integriert. Big Bird findet sich in Nordrhein-Westfalen in allen eTarif-fähigen Apps – die Funktionen sind deutschland- sowie europaweit nutzbar. Wir erhalten dazu inzwischen Anfragen aus aller Welt. Big Bird geht also in den modernen eTarif-Lösungen und in vielen Mobilitätsapps auf.
Der Projektname Big Bird
Hinter dem Namen „Big Bird“ steht die Entwicklung eines innovativen barrierefreien BeIn/BeOut-Systems für den ÖPNV. Dafür wurde zunächst die Abkürzung „BI/BO“ genutzt, die einige Mitglieder im Soester Projektteam an den großen Vogel „Bibo“ aus der Sesamstraße erinnerte. Aus der Zusammenarbeit mit Kolleg:innen aus Los Angeles ging 2015 der Projektname „Big Bird“ hervor, denn so heißt „Bibo“ im US-amerikanischen Original der Kinderserie.
Wo sehen Sie die nachhaltigsten Projektergebnisse?
Jörn Peters: Big Bird hat ein neues Bewusstsein für die Bedeutung barrierefreier bzw. barrierearmer Mobilitätsketten geschaffen. Das System BeIn/BeOut bzw. CheckIn/BeOut wurde zunächst für die ÖPNV-Nutzung durch blinde Menschen entwickelt. Dann wurde es zu einer zentralen Voraussetzung für die Einführung des eTarifs und ist heute fast schon ein Standard für alle. Mit Big Bird haben wir auch immer den Anspruch verbunden, Barrierefreiheit im ÖPNV nicht länger als „nice to have“, sondern als höchsten Maßstab zu betrachten und von Anfang an in die Entwicklung zu implementieren. Wir haben hier durch die Zusammenarbeit mit Stakeholder:innen und Mobilitätsexpert:innen von Behindertenverbänden und auch durch Einbindung in die ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW viel bewegen können. Zudem haben wir über das Projektende hinaus ein Testfeld entwickelt, das für inklusive Mobilitätskonzepte genutzt werden kann. So konnten die Technologien bereits in der Entwicklung von On-Demand Diensten sowie in der Forschung und Entwicklung des autonomen Fahrens evaluiert und weiterentwickelt werden.
Big Bird hat den Fokus auf barrierearme, multimodale Wegeketten von „Tür zu Tür“ gerichtet und kann diese digital bereitstellen.
Dezernat Regionalentwicklung Kreis Soest, Projektleiter Big Bird
Nun gibt es eTarife, bald das Deutschlandticket und dazu auch Mobilitätsapps für praktisch jeden Bedarf. Aber immer noch beklagen viele Menschen die Zugangshemmnisse zum ÖPNV. Welche Erkenntnisse bietet Big Bird dazu?
Jörn Peters: Auf die Frage, ob wir die unterschiedlichen Anforderungen mobiler Menschen in einer einzigen App realisieren oder die ein oder andere bedarfsorientierte App brauchen, gibt es in der Tat noch keine abschließende Antwort. Barrierefreie Mobilität ist vielschichtig. Deshalb hatten wir bei Big Bird Westfalen nicht nur ein smartphonebasiertes CheckIn/BeOut-System für den eTarif im Blick, sondern die digitale Bereitstellung barrierearmer Mobilitätsketten. Big Bird ermöglicht beispielsweise eine barrierearme Fußgängernavigation zu Haltestellen sowie in und auf Umsteigebauwerken des ÖPNV, kann Nutzer:innen von einem Verkehrsmittel zum nächsten leiten oder beispielsweise blinde Menschen zum richtigen Bus führen. Die digitale Reiseassistenz im Sinne der Barrierefreiheit kann auch beim Ausstieg am Fahrtziel helfen. Das schafft Mehrwerte für mobile Menschen und ist ganz im Sinne von Mobility-as-a-Service. Deshalb haben Städte wie z.B. Bochum, Essen, Paderborn, Darmstadt und einige weitere bereits ihre Mobilitätsapps in Anlehnung an die Mutter-App „mobil info“ installiert und partizipieren gegenseitig an jeder Weiterentwicklung.
Die Chancen der Big Bird-Technologie
Das Bluetooth-basierte CheckIn/BeOut-System von Big Bird kann beispielsweise auch das Bezahlsystem für autonom fahrende Busse abbilden. Zudem bietet Big Bird Unterstützung für eine inklusive Nutzung. Das wurde im Projekt Ride4All erprobt, in dem Handlungskonzepte für einen barrierefreien Einsatz automatisiert fahrender Kleinbusse im Regelbetrieb des ÖPNV entwickelt wurden.
Am Teilprojekt Big Bird Westfalen beteiligt waren der Kreis Soest als Projektkoordinator, das Kompetenzcenter Digitalisierung des Landes NRW (KCD), die Westfälische Verkehrsgesellschaft mbH (WVG), die Regionalverkehr Ruhr-Lippe GmbH (RLG), der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und die WestfalenTarif GmbH sowie die Firmen BLIC Group, Mentz GmbH, GeoMobile GmbH, AMCON GmbH und LogPay Financial Services GmbH.
Foto: © Wolfgang Detemple, RLG/Kreis Soest (1); © privat (2)