Daten zur
Auslastung
in Echtzeit
06. September 2024
Bus- und Bahnfahrten komfortabler planen
Wie können Informationen zur Auslastung von Bussen und Bahnen wagenscharf erhoben, multimodal abgebildet und landesweit einheitlich bereitgestellt werden? Projekte wie HERMES entwickeln dafür Datenstrukturen und Prozesse.
Ist die Bahn voll oder sind noch Plätze frei? Kann ich mein Fahrrad mitnehmen oder nicht? Mit Echtzeitinformationen über die Auslastung von Bussen und Bahnen können Reisende ihre Fahrten im Nahverkehr komfortabler planen. Wie kann das funktionieren? Die ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW arbeitet an einem landesweiten Lösungsvorschlag, zu dem auch das Projekt HERMES von DB Regio NRW beigetragen hat.
Bus- und Bahnreisende kennen und nutzen sie gerne für ihre Fahrtenplanung: die drei figürlichen Piktogramme neben der Verbindungsauskunft ihrer Mobilitätsapps. Sie zeigen an, wie voll die jeweiligen Fahrzeuge auf ihrer Verbindung voraussichtlich sein werden. Dabei handelt es sich oft noch um Prognosen auf Basis von Solldaten, die mehr und mehr um Echtzeitdaten ergänzt werden. Die Informationen zur Auslastung von Fahrzeugen – Füll- und Auslastung- bzw. Belegungsgrade – sollen in Zukunft flächendeckend für alle Auskunftssysteme im ÖPNV in NRW bereitgestellt werden. Sie bieten Fahrgästen die Möglichkeit, ihr Reiseverhalten auf die Auslastung bestimmter Fahrten abzustimmen und gezielt überfüllte Verkehrsmittel zu vermeiden. Auslastungsprognosen verbessern somit nachhaltig die Qualität der Kundeninformation. Verkehrsunternehmen können darüber hinaus ihre Betriebsqualität steigern, indem sie Kapazitätsreserven besser nutzen.
ÖV-Datenverbund forciert landesweiten Lösungsvorschlag
Das Teilprojekt „Auslastungsinformationen in der Fahrplanauskunft“ wurde im Dezember 2020 in die Digitalisierungsoffensive aufgenommen. Zunächst ging es darum, die Folgen der Corona-Krise auch hinsichtlich der ÖPNV-Nutzung zu bewältigen. Vier Jahre später gehören Informationen zu Auslastungs- und Belegungsgraden schon in vielen Auskunftssystemen des NRW-Nahverkehrs zum Alltagsgebrauch – und die auskunftsbetreibenden Partner:innen im ÖV-Datenverbund NRW forcieren insbesondere mit der Zentralen Koordinierungsstelle (ZKS) einen gemeinsamen Lösungsvorschlag. Auslastungsinformationen sollen zukünftig über mobile und webbasierte Ausgabekanäle landesweit zur Verfügung gestellt werden können und Fahrgäste bei ihrer Reiseplanung unterstützen.
HERMES verspricht ein harmonisches Kundenerlebnis
Einen wichtigen Beitrag zur Realisierung dieses landesweiten Lösungsvorschlags hat auch das HERMES-Projekt geleistet, das DB Regio NRW im Rahmen des Programms MaaS NRW umgesetzt hat. HERMES beinhaltete die Entwicklung einer praxistauglichen Software, die videobasiert Reisende und Fahrräder in Echtzeit in den Zügen erfassen kann und die gewonnenen Daten über die Auslastung der einzelnen Wagenkästen anonymisiert an Vorsysteme transferiert. Die Projektumsetzung erfolgte zwischen März und Dezember 2023 in 22 Fahrzeugen der Euregiobahn im Raum Aachen.
HERMES, der Name des griechischen Götterboten, steht als Abkürzung für Harmonisches Kundenerlebnis im Nahverkehr mittels multimodaler Echtzeitauslastungsdaten und Systemintegration.
Für die DB Regio NRW hat in diesem stark interdisziplinären Zukunftsprojekt die Stellschrauber GmbH die Rolle des Projektlotsen übernommen und die Softwarearchitektur konzipiert, die Softwareentwicklung sowie die Anzeigemöglichkeiten für die Fahrgäste gelenkt und die eisenbahntechnische Zulassung der Software organisiert. Dazu sollte eine praxistaugliche Lösung geschaffen werden, die auch im harten Betriebsalltag dauerhaft stabil für die Reisenden funktioniert. „Unser Ziel war es dabei auch, die notwendigen Datenstrukturen und Prozesse für einen landesweiten Austausch zu schaffen. Dafür standen wir in der gesamten Projektlaufzeit stetig im fachlichen Austausch mit dem ÖV-Datenverbund und konnten mit der VU-Basisbelegung auch ein mögliches Schnittstellenformat vorstellen“, erklärt Timo Heifel, der bei DB Regio NRW für HERMES verantwortlich zeichnete. Mit der Entwicklung der Software einher ging eine Kundenevaluation, aus der sich wichtige Erkenntnisse zu den gewünschten Auslastungsinformationen insbesondere für Reisende mit Fahrrädern ergaben. So wurden die figürlichen Piktogramme um Fahrräder ergänzt, was initial nicht geplant war, aber eine hohe Akzeptanz auf Kundenseite fand.
Die technischen Grundlagen für HERMES
Ursprünglich sollte HERMES im Netz Westliches Münsterland zum Einsatz kommen, doch die dortigen Züge waren für notwendige neue Hardware nicht zugelassen. Daher erfolgte der Wechsel zur Euregiobahn, deren Talentzüge VT 643.2 mit einem Videosystem aus fünf digitalen Kameras und einer zentralen Rechnereinheit eine gut geeignete Hardware boten, die bereits eingebaut und zugelassen war. Die Software zur Ermittlung der Fahrgast- und Fahrradzahlen wurde in der zentralen Rechnereinheit in jedem Fahrzeug gespeichert. Hier wurden die digital aufgenommenen Bilder der Kameras ausgewertet und in reine Zähldaten transformiert. Eine GPS-Antenne sorgte für die Ortung der Fahrzeuge, eine LTE-Antenne für die Übertragung der Daten vom Zug an eine Schnittstelle. Dieses System funktionierte weitgehend autark zur übrigen Fahrzeugtechnik, so dass sich mögliche Fehlerquellen in der Bestandstechnik nicht übertrugen und die Auslastungsinformationen im Betriebsalltag in hoher Stabilität zur Verfügung standen. Innerhalb der DB sind die Erkenntnisse aus dem HERMES-Projekt in das überregionale Projekt „Auslastungsinformationskern“ eingeflossen. Bundesweit werden bereits aus allen Netzen der DB Regio Auslastungsdaten von Fahrzeugen übermittelt, die mit automatischen Fahrgastzählsystemen ausgestattet sind.
So profitieren die Verkehrsunternehmen
Die digital integrierten Auslastungsinformationen verbessern nicht nur das Kundenerlebnis bei der direkten Fahrtenplanung. Langfristig können diese Daten bei den Verkehrsunternehmen die Betriebs- und Angebotsqualität insgesamt stärken. Diese Ziele stehen im Fokus:
Fahrgäste mit Fahrrädern oder Kinderwagen brauchen mehr Platz und bevorzugen daher Verbindungen mit geringerer Auslastung. Auslastungsinformationen können Nachfragespitzen in den Hauptverkehrszeiten glätten.
Am Bahnsteig führen wagenscharfe Auslastungsanzeigen zu einem schnelleren Fahrgastwechsel und zu einer besseren Verteilung der Fahrgäste im Zug.
Wenn Auslastungsinformationen die Fahrgastwechsel beschleunigen, verbessern sie auch die Pünktlichkeit.
Mit Echtzeitdaten zur Auslastung lassen sich zukünftig auch kurzfristige Kapazitätsanpassungen, zum Beispiel bei Großveranstaltungen, durchführen.
Mit den für die Auslastungsinformationen erhobenen Belegungsdaten können die Verkehrsunternehmen sowohl den Fahrzeugeinsatz als auch die Taktung ihrer Linien nachfragebasiert planen und so insgesamt ihre Betriebsqualität stärken.
Header: © ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW (Mockup AdobeStock)
Grafik: © ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW auf Basis einer Illustration der Stellschrauber GmbH für DB Regio NRW