Unser Ziel muss sein, mit easyConnect ein Standard-Verfahren zu definieren, das eine europaweite Lösung darstellt.
Landesgrenzen überqueren, ohne es zu bemerken? Was auf einer Pkw-Fahrt innerhalb der EU schon längst keine Besonderheit mehr ist, soll jetzt auch im öffentlichen Personennahverkehr möglich werden. Unterschiedliche Tarifsysteme für die Fahrgäste auf einen Nenner zu bringen und den Menschen das Reisen ins Nachbarland so unkompliziert wie möglich zu machen – darum geht es im Projekt easyConnect, das der Aachener Verkehrsverbund AVV mit vielen Partnern und unter der Leitung von Dr. Dominik Elsmann entwickelt hat.
Dr. Dominik Elsmann: Der von uns bereits entwickelte ID-Ticketing-Ansatz soll über Länder- und Verbundgrenzen hinaus nutzbar sein und die Grenzen, die der ÖPNV durch verschiedene Tarifräume und Verkehrsverbünde hat, unsichtbar werden lassen. Der Fahrgast nutzt zum Fahrtantritt sein Smartphone und erhält auf dieses einen personifizierten Barcode, auf dem ausschließlich seine persönliche ID gespeichert wird. Mit dieser kann er dann, unabhängig von Start- und Zielort, seine Reise beginnen – in fremde Tarifzonen oder ins Nachbarland.
Dr. Dominik Elsmann: Die grundsätzlichen Möglichkeiten, z. B. zwischen Maastricht und Aachen im ÖPNV zu pendeln, sind bereits vielseitig gegeben. Bus- und Bahnlinien fahren schon seit vielen Jahren grenzüberschreitend und mit dem RE 18, der seit 2018 in Betrieb ist, wurde das Angebot weiter optimiert. Das große Problem ist aber, dass in Deutschland und den Niederlanden völlig unterschiedliche Ticket- und Tarifsysteme genutzt werden, die auf verschiedenen Standards basieren und untereinander nicht kombinierbar sind. In Deutschland sind knapp 90 Prozent der ÖPNV-Nutzenden Abo-Kund:innen, die einen bestimmten Tarifraum nutzen. In den Niederlanden werden vorrangig Chipkarten genutzt, die wie Geldkarten funktionieren und mit einem Guthaben aufgeladen werden. Der Betrag für jede Fahrt wird dann entfernungsabhängig ermittelt und von dem bestehenden Guthaben abgebucht. Mithilfe des ID-Ticketings entwickeln wir ein Prinzip, das die Nutzenden nicht mit dieser Komplexität belastet, sondern basierend auf dem denkbar einfachen Prinzip des Ein- und Auscheckens, den günstigsten Fahrpreis berechnet und dem Fahrgast viele Mühen erspart.
easyConnect ist Teil der Grenzland-Agenda, die 2019 zwischen Nordrhein-Westfalen und der Niederlande beschlossen wurde. Sie umfasst Projekte und Konzepte, die zu einem besseren täglichen Zusammenleben beitragen und Einschränkungen durch Grenzen auflösen sollen.
Dr. Dominik Elsmann: Die Handhabung ist eine andere: Das ETC-Prinzip basiert auf Chipkarten und einem Check-in/Check-out-System. easyConnect soll smartphonebasiert als Check-in/Be-out-System funktionieren, um mit Hilfe der Digitalisierung das Reisen möglichst einfach zu gestalten und eine komplette Durchlässigkeit zu garantieren.
Dr. Dominik Elsmann: Allen voran diejenigen, die regelmäßig über die Grenze pendeln. Es gibt z. B. viele Deutsche, die in Aachen wohnen, und mehrmals die Woche nach Heerlen oder Maastricht fahren – und Personen aus den Niederlanden, die andersherum reisen. In beiden Ländern gibt es bereits seit vielen Jahren Bemühungen, die Systeme einfacher zu gestalten und miteinander zu verknüpfen. Gemeinsame Forschungen im ID-Ticketing-Bereich existieren ebenfalls schon.
Unser Ziel muss sein, mit easyConnect ein Standard-Verfahren zu definieren, das eine europaweite Lösung darstellt.
Dr. Dominik Elsmann: Die erste Pilotphase wird im Herbst 2021 starten und die Strecke zwischen Maastricht und Aachen bedienen. Als Verkehrsmittel wird der RE 18 im Fokus stehen. In der zweiten Pilotphase wird die Teststrecke im SPNV-Bereich bis nach Köln ausgeweitet.
Dr. Dominik Elsmann: Genau das muss unser Ziel sein. Wir wollen eine Interoperabilität zwischen den europäischen ÖPNV-Systemen schaffen. Mit dem ID-Ticketing-Ansatz von easyConnect wollen wir eine Technik schaffen, die für alle zugänglich und unkompliziert nutzbar ist. Wir stehen heute schon im engen Austausch mit den Verantwortlichen für Standardisierung in Deutschland sowie denen, die sich hierfür auf europäischer Ebene einsetzen. Unsere Arbeit wird dort nicht nur aufmerksam verfolgt, im Zuge projektgebundener Zusammenarbeit wird der Lösungsansatz in Deutschland bereits von der zuständigen Entwicklungsgesellschaft in den deutschen E-Ticket-Standard integriert. Unser Ziel muss darüber hinaus sein, mit easyConnect ein Standard-Verfahren zu definieren, das eine europaweite Lösung darstellt.
Für das Projekt „easyConnect“ arbeitet der AVV mit vielen wichtigen Partnern zusammen: Auf deutscher Seite sind dies die ASEAG, DB Regio, das Kompetenzcenter Digitalisierung NRW (KCD), der Nahverkehr Rheinland (NVR), der VDV eTicket Service (VDV-eTS) und der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS). Weiterer Mobilitätspartner aus den Niederlanden ist u.a. der Mobility-as-a-Service-Pilot (MaaS) in der Provinz Limburg. Neben dem Zuwendungsbescheid des Verkehrsministeriums NRW über 2,23 Millionen Euro wird das Projekt auch von Seiten des niederländischen Verkehrsministeriums gefördert.
Fotos: © AVV (1+2); © privat (3)