Innovationen für
Klima und Fläche
07. Oktober 2022
Mobilitätswende dank integrierter Mobilität?
Dr. Maximilian Müller, Leiter Kompetenzcenter Digitalisierung, über notwendige Standards und Vorgaben
Wie kann die Mobilitätswende erreicht werden? Wie werden Klimaziele in neue Projekte und Innovationen mit einbezogen? Wie können Fahrgastzuwächse bis 2030 organisiert werden? Und welche Rolle spielt dabei der ÖPNV in der Fläche? In einer Branchendiskussion auf der internationalen Fachmesse für Bahn- und Verkehrstechnik InnoTrans 2022 gab Dr. Maximilian Müller, Leiter des Kompetenzcenters Digitalisierung NRW (KCD), wichtige Impulse zur Realisierung integrierter Mobilität.
Durchgängige Angebote, einfache Vernetzung und digitale Zugangsmöglichkeiten: Um das Ziel der integrierten Mobilität zu erreichen, muss der Fokus noch stärker auf die Endkund:innen des ÖPNV gerichtet werden. Mobile Menschen wollen unkompliziert von A nach B reisen, ohne sich viele Gedanken machen zu müssen. Sie wünschen ein attraktives, durchgängiges, vernetztes und digitales Mobilitätsangebot, das sie einfach nutzen und kaufen können. Wenn das Angebot stimmt, gelingt auch der Umstieg auf die Mobilität im Umweltverbund. Darin sind sich die Verkehrsunternehmen länderübergreifend einig. Ein effizientes Voranbringen der Verkehrswende bedarf vieler Komponenten. Stetig erhöhte Taktungen, aufgerüstete Apps inklusive On-Demand-Buchungsmöglichkeiten – kurzum: Intermodale Lösungen müssen gefunden werden. Auf der InnoTrans 2022 diskutierte Dr. Maximilian Müller, Leiter des Kompetenzcenters Digitalisierung NRW, mit Vertreter:innen der internationalen Bahn- und Verkehrsbranche über den Zukunftstrend der integrierten Mobilität und die Notwendigkeiten der Mobilitätswende.
InnoTrans 2022
137.394 Mobilitätsexpert:innen aus 131 Ländern trafen sich vom 20. bis zum 23. September auf der internationalen Leitmesse für Verkehrstechnik und Mobilität InnoTrans 2022 in Berlin. Die Umsetzung integrierter und nachhaltiger Mobilität war in diesem Jahr ein beherrschendes Branchenthema.
Was leistet Nordrhein-Westfalen für die integrierte Mobilität?
3 Fragen an KCD-Leiter Dr. Maximilian Müller
NRW ist dank des landesweiten Mobility-as-a-Service-Programms (MaaS NRW) auf einem produktiven Weg. Welche Grundlagen und Möglichkeiten werden durch die gestarteten Projekte geschaffen?
Max Müller: Durch MaaS NRW soll die verkehrsbedingte Systemlandschaft untereinander vernetzt und weiterentwickelt werden. Im Idealfall werden (bundesweite) Standards geschaffen, die sich auf alle notwendigen Applikationen und Systeme übertragen lassen. Die Techniken verschiedener Anbieter und Systeme soll verbunden werden und sich gegenseitig beauskunften. So wird der Zugang auf das große Angebotsspektrum für die Kund:innen deutlich vereinfacht. Erste wegweisende Leuchtturmprojekte sind bereits gestartet, weitere folgen in der nahen Zukunft.
Für MaaS NRW bringen wir die Standardisierung der Systeme und die Vernetzung der Akteure voran, damit Fahrgäste im ÖPNV intermodal und nahtlos reisen können.
Leiter Kompetenzcenter Digitalisierung NRW (KCD)
Bei wieder steigenden Fahrgastzahlen rückt neben der Schiene nun auch die straßengebundene Mobilität verstärkt in den Fokus – damit Fahrgäste ihre Reisen möglichst unkompliziert fortsetzen können. Wie wird in NRW daran gearbeitet, immer mehr Fahrgäste vernetzt zu befördern?
Max Müller: Das Thema straßengebundene Mobilität muss vor allem mit Blick auf Verbesserungen der ländlichen Verkehrsmöglichkeiten betrachtet werden. In der Fläche bedeutet das konkret, dass Schnellbuslinien weiter gefördert werden und ergänzende Verkehre wie Mikromobilitätslösungen sowie On-Demand- und Carsharing-Angebote, systematisch angeboten werden. Grundlagenuntersuchungen wurden zu diesem Zweck bereits durchgeführt. Um die ländlichen Regionen aber so lückenlos anschließen zu können, wie beispielsweise Verbindungen auf der Schiene, müssen auch interkommunale Verkehre betrachtet werden. Wenn Kommunen zusammengebracht und besser miteinander verknüpft werden, sind wir auf einem guten Weg zu integrierter Mobilität.
Die Zukunft im straßengebundenen ÖPNV
Wie kann der straßengebundene ÖPNV per Bus so attraktiv gestaltet werden, dass die Menschen ihr eigenes Auto stehen lassen? In einer Studie betrachten das Fraunhofer IESE und das Fraunhofer IML im Auftrag der DB Regio AG, wie ein attraktiver, straßengebundener öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) zukünftig aussehen könnte.
Um Angebote besser zu vernetzen und umfangreichere Ausschreibungen zu ermöglichen, sind auch finanzielle Voraussetzungen notwendig. Wie kann die Branche eine zukünftige Vernetzung sicherstellen und Budgets konstruktiv definieren?
Max Müller: Ein wichtiger und richtiger Punkt ist der Vorschlag, Innovationsbudgets zu schaffen. Sollten diese vorgegeben sein und als Pflicht in Kalkulationen für Ausschreibungen und Projekte mitaufgenommen werden, gibt es auch wieder mehr Möglichkeiten, Projekte in die Fläche zu bringen. Dabei wegweisend ist der Ansatz in Nordrhein-Westfalen, die landesweiten Zukunftsthemen im NRW-Nahverkehr über Kompetenzcenter zu bündeln und dementsprechend die Dialoge mit den Verkehrsunternehmen in der Fläche zu koordinieren. Dabei stärkt die ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW Hand in Hand mit MaaS NRW die Vernetzung im Nahverkehr Nordrhein-Westfalens und schafft auch mit Blick auf die bundesweit notwendige Vernetzung eine noch stärkere Basis.
Integrierte Mobilität ist nachhaltig
Integrierte Mobilitätskonzepte und die digitale Vernetzung im ÖPNV zielen darauf, nicht nur ökologisch nachhaltig zu werden, sondern auch ökonomisch nachhaltige Mobilität anbieten zu können. Denn für die öffentliche Mobilität ist es unerheblich, was fährt – ob ein Linienbus mit dichter Taktung oder ein On-Demand-Service. Wichtig ist, dass mobile Menschen ein bedarfsgerechtes Angebot mit definierten Qualitätsstandards nutzen können und damit zeitnah sowie komfortabel an ihre Ziele kommen – überregional und ohne ein eigenes Auto. Ein solches Angebot bewegt zum Umstieg und schafft die notwendige Nachfrage im Sinne der Mobilitätswende. Dafür muss die digitale Vernetzung im ÖPNV über kommunale, regionale und Landesgrenzen hinaus noch weiter forciert werden.
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