ÖPNV auf Abruf
dank On-Demand-Verkehr
09. Juni 2021
Ridepooling im Ruhrgebiet
Eine Potenzialanalyse will Chancen und Rahmenbedingungen für öffentliche On-Demand-Verkehre ermitteln.
Digitale, vollflexible Flächenverkehre erfahren derzeit auch in NRW einen Umsetzungsschub. Wie aber können Ridepooling-Projekte und On-Demand-Verkehre die öffentliche Mobilität nicht nur partiell ergänzen? Das Kompetenzcenter Digitalisierung (KCD) bereitet eine Potenzialanalyse vor.
Nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch in Randlagen von Städten und Ballungsräumen lassen sich reguläre ÖPNV-Angebote oftmals nicht wirtschaftlich betreiben. Digital basierte Ridepooling-Systeme und On-Demand-Verkehre können hier eine Lösung bieten und die Verbindungsqualität des ÖPNV stärken. Verkehrsunternehmen und Kommunen sehen gute Chancen, neue Kundengruppen zu erschließen und gleichzeitig den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren. Insofern leisten Ridepooling-Systeme einen Beitrag zu einem ökologischeren Gesamtverkehrsmarkt im Sinne des Umweltverbunds.
Ridepooling oder On-Demand-Verkehre sind digital bestellbare, bedarfsgesteuerte Personensammelverkehre im Flächenbetrieb ohne Fahrplan mit Kleintransportern.
Potenzialanalyse für das Ruhrgebiet
Um den Einsatz von Ridepooling-Systemen in der Fläche zu evaluieren, startet das KCD jetzt eine gezielte Potenzialanalyse für das Ruhrgebiet. Initiiert wurde diese über die Ruhrkonferenz und das Verkehrsministerium NRW als Teil des Handlungsfeldes „Vernetzte Mobilität“ im Themenbereich „ÖPNV-Initiative“.
Die Schwerpunkte der Analyse liegen auf der Betrachtung von Verkehren in den eher ländlich strukturierten Räumen der Metropolregion und Stadtrandlagen sowie auf kommunalübergreifenden Relationen zwischen Städten und Kreisen. Aber auch ergänzende innerstädtische Angebotsformen in Haupt- und Schwachverkehrszeiten fließen in die Untersuchung ein. Ziel ist es, verkehrliche und wirtschaftliche Kennzahlen für Potenzialgebiete zu ermitteln, notwendige Rahmenbedingungen – z.B. Förderungen, Unterstützungsleistungen, administrative Grenzen – zu beschreiben und auf dieser Basis Handlungsempfehlungen zur Umsetzung von Ridepooling-Systemen im Ruhrgebiet abzuleiten. Anschließend wird deren Übertragbarkeit auf ganz Nordrhein-Westfalen geprüft. Das Landesverkehrsministerium fördert die Durchführung der Potenzialanalyse mit bis zu 300.000 Euro.
Die Ausgangslage: Alternative Bedienformen und Ridepooling-Projekte
Ob Rufbusse oder Anrufsammeltaxis: Alternative Bedienformen im NRW-Nahverkehr gibt es schon seit mehr als 40 Jahren. Sie werden hauptsächlich für die Feinerschließung in nachfrageschwachen Räumen oder Zeiten und zur Sicherung der Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen eingesetzt. Diese Personensammelverkehre sind zwar bedarfsorientiert, bieten aus Kundensicht oft allerdings keine ausreichende Flexibilität. Ein Grund dafür ist beispielsweise die telefonische Vorbestellung von mindestens 30 Minuten vor Abfahrt.
Nun entstehen im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung seit etwa vier Jahren deutschlandweit neue Projektideen, die mit Hilfe von Apps alternative Bedienformen flexibler, individueller und damit kundenorientierter gestalten. Zu den ersten Projekten in NRW gehören beispielsweise „myBUS“ der Duisburger-Verkehrsgesellschaft oder „mein SWCAR“ der Stadtwerke Krefeld. Inzwischen gibt es landesweit 13 On-Demand-Ridepooling-Systeme. Durch den Landeswettbewerb „mobil.nrw – Modellvorhaben innovativer ÖPNV im ländlichen Raum“ sind weitere Projekte in Planung – neben drei bereits gestarteten, sollen im Verlauf des Jahres 2021 neun weitere folgen. Coronabedingt kommt es bei den Betriebsaufnahmen zu Verzögerungen.
Stand: Juni 2021
mintgrün: Ridepooling-Systeme bei Verkehrsunternehmen/Städten
dunkelblau: laufende Projekte des Landeswettbewerbs
blau: Projekte des Landeswettbewerbs
Die Idee: Öffentliche Mobilität auf individuelle Bestellung
Ridepooling-Systeme entwickeln die Idee der alternativen Bedienformen als Mobilität auf Bestellung weiter. Komplett digital basiert, schaffen sie ein bedarfsorientiertes Verkehrsangebot ganz ohne Fahrpläne. Über eine App auf dem Smartphone können Fahrgäste nach vorheriger Registrierung einfach ihren Fahrtwunsch innerhalb eines festgelegten Gebietes angeben. Ein Algorithmus berechnet und verknüpft verschiedene Fahraufträge zu einer gemeinsamen Route und übermittelt innerhalb weniger Minuten den genauen Abfahrtsort und die Abfahrtszeit an die jeweiligen Kunden. Die Bedienung auf Abruf bietet den Fahrgästen in Bezug auf Einsatzzeiten, Entfernungen zur Haltestelle und Flexibilität deutlich verbesserte Möglichkeiten und Anschlüsse im Vergleich zum klassischen ÖPNV. Insbesondere können On-Demand-Verkehre etwa als Zubringer zum nächsten Bahnhof auch intermodale Wegeketten schließen.
Ausblick: Handlungsempfehlungen für den Einsatz von Ridepooling
Die „Potenzialanalyse Ridepooling Ruhrgebiet“ markiert einen weiteren Meilenstein in der Koordination der Entwicklung von On-Demand Verkehren (Ridepooling), einem Querschnittsprojekt der Digitalisierungsoffensive ÖPNV NRW. Das KCD wurde über die Ruhrkonferenz und das Landesverkehrsministerium mit der Durchführung beauftragt. Die Potenzialanalyse selbst wird nach einem europaweiten Teilnahmewettbewerb durch einen unabhängigen Dienstleister durchgeführt. Die Vergabe ist noch für Juni 2021 geplant, die Ergebnisse sollen im ersten Quartal 2022 vorliegen. Als Entscheidungsgrundlage für die Politik erwartet das KCD zum Abschluss Handlungsempfehlungen, ob und wie Ridepooling-Dienste im Ruhrgebiet eingesetzt werden könnten und welche Rahmenbedingungen für die Umsetzung geschaffen werden müssen. So verlangt die konsequente Einbindung von On-Demand-Verkehren in intermodale Wegeketten und die Systemlandschaft des Umweltverbundes beispielsweise nach Schnittstellen zu den bestehenden Auskunfts- und möglicherweise Vertriebssystemen des ÖPNV. Vor diesem Hintergrund kann die Potenzialanalyse für das Ruhrgebiet auch Erkenntnisse vorlegen, inwieweit Ridepooling die öffentliche Mobilität nicht nur partiell ergänzen, sondern insgesamt verdichten kann.
Gut zu wissen
Bereits im Jahr 2019 hat das KCD in einem Gutachten drei mögliche Funktionen für Ridepooling-Angebote identifiziert:
- Ergänzung des ÖPNVs in Randzeiten oder -gebieten
- Zubringerverkehre in Kombination mit dem bestehenden ÖPNV-Angebot
- Premiumangebot in Innenstädten und Stärkung der Verbindungsqualität des ÖPNV
Fotos: © Stadtwerke Münster (1), © ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW (2), © WSW, Stefan Tesche-Hasenbach (3)