On-Demand-Ridepooling:
Potenzialanalyse liegt vor
13. April 2022
Ein wichtiger Baustein in einem kundenzentrierten Angebot
Wie kann On-Demand-Ridepooling die Angebotsqualität im ÖPNV verbessern? Antworten gibt es in einer Potenzialanalyse für das gesamte Ruhrgebiet.
Das Ruhrgebiet als größter deutscher Ballungsraum bietet gut getaktete ÖPNV-Verbindungen. Dennoch liegt der Modal Split für Busse und Bahnen in der Region bei 13 Prozent. Insbesondere kommunal-überschreitende Relationen sowie städtische und suburbane Randlagen werden durch öffentliche Verkehrsmittel nicht ausreichend erschlossen. Vor diesem Hintergrund zeigt die nun abgeschlossene „Potenzialanalyse On-Demand-Ridepooling im Ruhrgebiet“ Möglichkeiten für einen kundenzentrierten Ausbau des Nahverkehrs.
Die koordinierte Entwicklung von On-Demand-Verkehren und Ridepooling-Systemen bildet ein eigenes Projekt der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW. Bereits im Jahr 2019 hat das Kompetenzcenter Digitalisierung (KCD) in einem Gutachten die möglichen Funktionen und Chancen für Ridepooling-Systeme in NRW identifiziert. Um den Einsatz von Ridepooling-Systemen in der Fläche weiter zu evaluieren, folgte die Potenzialanalyse für das Ruhrgebiet im Frühjahr/Sommer 2021. Initiiert wurde diese über die Ruhrkonferenz und das Verkehrsministerium NRW als Teil des Handlungsfeldes „Vernetzte Mobilität“ im Themenbereich „ÖPNV-Initiative“. Die Ergebnisse der Studie, die das KCD an Civity Management Consultants vergeben hatte, liegen seit dem 5. April 2022 vor.
Gut zu wissen
Das erste On-Demand-Ridepooling-Angebot im Ruhrgebiet, das als Teil des ÖPNV umgesetzt wurde, startete 2017 mit dem DVG myBUS in Duisburg. Eine Vielzahl weiterer Betriebe folgte, darunter Bussi in Essen oder der Revierflitzer in Oberhausen. Auch in den ländlichen Regionen NRWs gehen On-Demand-Verkehre an den Start, zum Beispiel Hüpper in Hürth oder Holibri in Höxter. Deutschlandweit gab es im Jahr 2021 rund 50 On-Demand-Ridepooling-Angebote. Das Prinzip ist weitgehend identisch: Die Nutzer:innen buchen über eine Smartphone-App eine Fahrt und werden nach einer kurzen Wartezeit an einer virtuellen Haltestelle abgeholt. Fahrgäste, die in eine ähnliche Richtung fahren wollen, werden in einer Fahrt gemeinsam bedient (das sogenannte "Pooling").
Mobilitätsalternative für circa vier Millionen Menschen
Die Potenzialstudie zeigt auf, dass On-Demand-Ridepooling einen wichtigen Beitrag für ein modernes und kundenorientiertes öffentliches Verkehrsangebot im Ruhrgebiet leisten und eine Mobilitätsalternative für circa vier Millionen Menschen bieten kann. Die Vorteile: Erschließungs- und Verbindungsqualität für Fahrgäste im ÖPNV können durch den Einsatz von On-Demand-Ridepooling signifikant gesteigert werden. Im eher ländlichen und suburbanen Raum der Metropolregion können die flexibel nutzbaren Verkehre das Grundangebot im ÖPNV – wirtschaftlich darstellbar – rund um die Uhr ergänzen; in den Großstädten sind sie insbesondere für die Abend- und Nachtzeit eine sinnvolle Lösung. Ein flächendeckendes Grundangebot mit einem 24-Stunden-Betrieb in suburbanen Räumen und einem nächtlichen Betrieb in urbanen Gebieten würde eine Flotte mit 250 bis 300 Fahrzeugen benötigen. Der jährliche Finanzierungsbedarf dafür läge zwischen 32 und 39 Millionen Euro.
Mit einer Gesamtfläche von 4.400 Quadratkilometern und rund fünf Millionen Einwohner:innen in 53 Kommunen ist das Ruhrgebiet eines der größten Ballungszentren in Deutschland und Europa. Der urbane Raum umfasst 13 Metropolen und Großstädte, weitere 40 Kommunen sind dem suburbanen und ländlichen Raum zuzuordnen.
Aktuell gibt es 21 On-Demand-Ridepooling-Projekte in Nordrhein-Westfalen, davon drei im Ruhrgebiet. Weitere sind in Planung.
Stand April 2022
mintgrün: Ridepooling-Systeme bei Verkehrsunternehmen/Städten
violett: Projekte im Landeswettbewerb NRW
blau: Projekte in Planung
Mehr ÖPNV-Anbindung in Schwachlastzeiten
Mit der Potenzialanalyse wurde zunächst untersucht, in welchen Räumen und zu welchen Zeiten die Einführung von On-Demand-Ridepooling im Ruhrgebiet verkehrlich und wirtschaftlich vielversprechend erscheint. Dafür wurden quantitative und qualitative Analysen zusammengeführt und im Rahmen von Stakeholder-Workshops und Experteninterviews weiterentwickelt. Zudem wurden wichtige Basisdaten zu ÖPNV-Bedienungsqualität und Mobilitätsnachfrage im Ruhrgebiet untersucht. Ein wichtiges Ergebnis: Zur Schwachlastzeit zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens sind große Teile der Bevölkerung nicht vom ÖPNV erschlossen. 1,2 Millionen Menschen im Ruhrgebiet, in einzelnen Gemeinden sogar die Hälfte der Einwohner:innen, erreichen dann nur mit Fußwegen von mehr als 15 Minuten die nächst bediente Haltestelle. Selbst in der Hauptverkehrszeit sind 300.000 Menschen in der Region nicht an den ÖPNV angeschlossen. Mit Blick auf die öffentliche Grundmobilität bieten sich große Potenziale für den Einsatz von On-Demand-Ridepooling-Diensten. Darüber hinaus lassen sich mit den flexiblen Verkehren vielerorts Angebotslücken schließen.
Schnellere kommunal-überschreitende Verbindungen
Ein weiterer Schwerpunkt der Analyse lag auf der Betrachtung von kommunal-überschreitenden Reisewegen, die im gesamten Ruhrgebiet ein Drittel aller Verkehrsbewegungen ausmachen; im suburbanen Raum liegen die Pendelbewegungen zwischen zwei Nachbargemeinden sogar bei bis zu 90 Prozent. Das ÖPNV-Netz ist jedoch zumeist auf das jeweilige Mittel- oder Oberzentrum ausgerichtet und die Planung orientiert sich häufig an administrativen Grenzen. Das führt im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr zu deutlich längeren Reisezeiten mit Bus und Bahn. Hier entfalten die On-Demand-Systeme im Ruhrgebiet ihr größtes Potenzial, indem sie über administrative Grenzen hinweg neue Verbindungen schaffen und Reisezeiten deutlich verkürzen. Daraus ergeben sich spürbare Mehrwerte für Berufspendler:innen und Freizeitreisende.
Fragen und Antworten zur Potenzialanalyse
Henry Morten Steinbach, Referent für neue digitale Mobilitätsformen beim Kompetenzcenter Digitalisierung NRW (KCD) und Projektleiter der Potenzialanalyse On-Demand-Ridepooling im Ruhrgebiet, beschreibt die zentralen Ergebnisse und gibt einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen. Die Potenzialanalyse wurde im Auftrag des KCD von civity Management Consultants und in enger Abstimmung mit den Akteur*innen des Ruhrgebiets erarbeitet.
Henry Steinbach über ...
Fotos: © Duisburger Verkehrsgesellschaft AG (DVG) (1), © ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW (2), © VRR AöR (3)