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Öffentlicher
Nahverkehr im
digitalen Wandel
24. Mai 2023
Vom ÖPNV zur multimodalen Mobilität
Im November 2017 wurde die ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW auf Initiative des damaligen Landesverkehrsministeriums ins Leben gerufen. Seit mehr als fünf Jahren treiben die ÖPNV-Gestalter:innen in verschiedenen Teilprojekten den digitalen Wandel im Nahverkehr landesweit voran.
Wie die ÖPNV-Digitalisierungsoffensive NRW gestartet ist und was sie zukünftig noch ermöglichen wird, beschreiben Dr. Maximilian Müller, Leiter des Kompetenzcenters Digitalisierung (KCD) beim VRR, Eduard Rollmann, Leiter des Kompetenzcenters Marketing (KCM) beim VRS, Sefa Tasdemir, Leiter der zentralen Koordinierungsstelle für den ÖV-Datenverbund (ZKS) und Dr. Andreas Leistikow, Leiter der KCD-Zweigstelle bei der Westfälischen Verkehrsgesellschaft (ZKCD), im Interview.
Verstehen. Verbinden. Verbessern.
Wir machen die Zukunft der Mobilität noch digitaler.
Im NRW-Nahverkehr sprechen wir heute über multimodale Mobilität und nutzen die dafür entwickelten Apps. Hätten Sie vor fünf Jahren gedacht, dass der digitale Wandel in dieser Form vorankommt?
Dr. Maximilian Müller: Wir sind damals an den Start gegangen, um erfolgreich erprobte Pilotprojekte zu vernetzten und sinnvoll flächendeckend umzusetzen. Heute gibt die ÖPNV Digitalisierungsoffensive entscheidende Impulse für die Realisierung integrierter und intermodaler Mobilität in NRW. Was wir für die Nahverkehrskund:innen erlebbar gemacht haben, ist ein komfortables, digitales Informations- und Buchungsangebot, das sich nicht auf die klassischen Verkehrsmittel des ÖPNVs beschränkt. In den Apps des NRW-Nahverkehrs werden auch Leihfahrräder, Roller, Carsharing-Angebote oder On-Demand-Verkehre beauskunftet. Oft schon kann die intermodale Wegekette über einen Account gebucht werden.
Mit mehr als 20 Teilprojekten in das Jahr 2023 gestartet
In den seit November 2017 vergangenen fünf Jahren hat die ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW gemeinsam mit ihren Partner:innen aus den Aufgabenträgern, Verkehrsverbünden, und -unternehmen Nordrhein-Westfalens zahlreiche Teilprojekte zur digitalen Mobilität erfolgreich umgesetzt. Klar strukturiert in vier zentralen Projekten – eTarif, EFM-Technologien, Information und Datenqualität sowie Querschnitts- und VDV-Projekte – sind auch im Jahr 2023 mehr als 20 Teilprojekte am Start, um die öffentliche Mobilität einfacher, komfortabler und nachhaltiger zu machen.
Die Reise im Mobilitätsmix von Tür zu Tür wird durch die Projekte der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW im Schulterschluss mit MaaS NRW zusehends greifbarer.
Dr. Maximilian Müller
Leiter des Kompetenzcenters Digitalisierung
„Wir sind stolz, mit einem flächendeckenden eTarif, der zur Einführung des Deutschlandtickets fortgesetzt wird und einen Preisdeckel in Höhe von 49 Euro bekommt, bundesweit echte Pionierarbeit geleistet zu haben.“
Eduard Rollmann, Leiter des Kompetenzcenters Marketing
Eduard Rollmann
Leiter des Kompetenzcenters Marketing
Wichtig ist, dass wir in den kommenden Jahren ein besonderes Augenmerk auf das Thema Datenqualität legen.
Sefa Tasdemir
Leiter der zentralen Koordinierungsstelle für den ÖV-Datenverbund
Mit der fortschreitenden Digitalisierung erwarten Fahrgäste konkrete Informationen für ihren multimodalen Reiseweg. Auch Künstliche Intelligenz wird dabei helfen.
Dr. Andreas Leistikow
Leiter der KCD-Zweigstelle
Apropos Deutschlandticket: Wie gut war der Nahverkehr in NRW auf dieses rein digitale Ticket vorbereitet?
Dr. Andreas Leistikow: Tatsächlich haben die öffentlichen Verkehrsunternehmen in Nordrhein-Westfalen durch die ÖPNV Digitalisierungsoffensive sehr gute technologische und organisatorische Voraussetzungen geschaffen, um neue Tarifprodukte wie das Deutschlandticket zu realisieren.
Eduard Rollmann: Ein Projekt wie das Deutschlandticket erfordert nicht nur den Aufbau der Technologie, sondern im hohen Maße auch koordinatives Geschick und die entsprechenden personellen Ressourcen. Insbesondere mit der Inbetriebnahme von eezy.nrw haben wir gezeigt, dass es möglich ist, große Projekte mit vielen hunderten beteiligten Akteuren in verhältnismäßig kurzer Zeit umzusetzen. Die für eezy.nrw geschaffenen Arbeitsstrukturen und vertraglichen Grundlagen sowie die gesammelte Erfahrung haben dafür gesorgt, dass unsere Landschaft auf neue Tarifprodukte wie das Deutschlandticket schnell reagieren kann.
Was braucht es, um komplexe Digitalisierungsprojekte im ÖPNV sicher und möglichst schnell umzusetzen?
Dr. Maximilian Müller: Komplexe Digitalisierungsprojekte werden durch die engagierte Arbeit der ÖPNV-Gestalter:innen vorangetrieben. Ihre sichere und schnelle Durchsetzung basiert auf der Zusammenarbeit in professionellen und ambitionierten Abstimmungszirkeln und dem Rückhalt eines zukunftsgewandten Ministeriums. Wir haben bewiesen, dass wir trotz der großen Vielfalt an Akteuren – drei Aufgabenträger für den SPNV, vier Verkehrsverbünde und mehr als 110 Verkehrsunternehmen – Großprojekte wie eezy.nrw innerhalb von anderthalb Jahren auf die Beine stellen können. Das spiegelt auch unsere im Jahr 2017 aufgestellte Absichtserklärung wider. Wir haben die damals noch in drei Handlungsfeldern identifizierten Maßnahmen umgesetzt und mit dem Fortschritt der Digitalisierung kontinuierlich ausgebaut.
Tickets auf Chipkarten und Smartphones können heute landesweit im NRW-Nahverkehr kontrolliert werden. Die Bedeutung von Chipkarten nimmt inzwischen jedoch deutlich ab. App-basierte Angebote werden dagegen immer mehr genutzt. In NRW gibt es inzwischen circa 100 Apps von ÖPNV-Unternehmen mit Buchungsfunktionalitäten.
Mit dem eTarif eezy.nrw ist auch die Einführung eines CheckIn/BeOut-Systems erfolgt.
Im Bereich der Interoperabilität hat Easy Connect den VDV-Standard von motics um eine ID-Ticketing-Komponente erweitert. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer nahtlosen, grenzüberschreitenden Mobilität.
Mit BONNsmartkonnte der kontaktlose Ticketerwerb, ganz ohne zusätzliches Medium wie Smartphone oder Papierfahrschein, erprobt werden. Das ID-basierte Ticketingsystem gilt im Bonner Stadtgebiet und ermittelt den Tagesbestpreis.
Trotz der schnell voranschreitenden Technisierung sind einige Kundengruppen noch auf den Erwerb konventioneller Papiertickets angewiesen. Nachdem der Ausbau digitaler Ticketangebote und ihrer Kontrollmöglichkeiten erfolgt ist, wird mit dem Deutschland-Ticket der Verkauf von Papiertickets weiter zurückgehen.
Am 1. Dezember 2021 ging der eTarif eezy.nrw an den Start. Als erstes deutsches Bundesland hat Nordrhein-Westfalen einen flächendeckenden elektronischen Tarif für den Nahverkehr eingeführt.
Die Datenqualität hat sich durch verschiedene Projekte – u.a. der RRX-Zusatztexteplattform, dem ÖV-Datenverbund oder dem Open-Data-Portal ÖPNV – verbessert. Auch die Bündelung der deutschlandweiten Daten in der DELFI-Landesauskunft bleibt erfolgversprechend.
Durch die 2017 vereinbarte Zusammenarbeit in der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRWkonnten wichtige Synergien für die flächendeckende Umsetzung von Digitalisierungsprojekten erschlossen werden. Davon profitieren die Kund:innen des Nahverkehrs in NRW.
Wie kann der digitale Wandel den ÖPNV zur ersten Mobilitätsoption machen?
Dr. Maximilian Müller: Um das Ziel der integrierten Mobilität zu erreichen, muss der Fokus noch stärker auf die Endkund:innen des ÖPNV gerichtet werden. Mobile Menschen wollen unkompliziert von A nach B reisen, ohne sich viele Gedanken machen zu müssen. Sie wünschen ein attraktives, durchgängiges, vernetztes und digitales Mobilitätsangebot, das sie einfach nutzen und kaufen können. Um das gewünschte Mobilitätserlebnis bereitzustellen, sind auch die Projekte aus den Bereichen Tarif, Vertrieb und Information zusammenzudenken. Nur wenn Reisende Zugriff auf eine verlässliche Informationsgrundlage, eine transparente Preisberechnung und einen einfachen Buchungs- und Abrechnungsprozess haben, werden wir mit unseren digitalen Angeboten attraktiver.
Eduard Rollmann: Für die Verkehrswende sind immer Push- und Pull-Faktoren notwendig. Wir kommen mit unserer Idee eines besser vernetzten Angebots vor allem den Pull-Faktoren nach: Wir glauben, dass das ÖPNV-Angebot mithilfe unserer digitalen Angebote deutlich verständlicher, einfacher zugänglich und bequemer wird. Die individuellen Kundenbedürfnisse sind Maßgabe für die Entwicklung neuer Produkte. Das Deutschlandticket und eezy.nrw werden vor allem auf die Bedürfnisse der Pendler:innen und Gelegenheitskund:innen einzahlen. In Zukunft wollen wir weitere Angebote für Angestellte durch Mobilitätsbudgets sowie für Schüler:innen oder Senior:innen bereithalten.
Sefa Tasdemir: Für die weitere Vernetzung öffentlich zugänglicher Mobilitätsservices bleibt die Weiterentwicklung der Data Governance Frameworks eine zentrale Aufgabe. Im offenen Datenaustausch sind gesicherte Standards zu Datenqualität, -nutzung und -freigabe ebenso wie die technische Interoperabilität zu gewährleisten.
Wie sehen Sie die weitere digitale Entwicklung im öffentlichen Verkehr und was wird die ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW dazu beitragen?
Sefa Tasdemir:In den vergangenen Jahren hat sich der gesetzliche Rahmen in der Personenbeförderung verändert, das Personenbeförderungsgesetz wurde novelliert. Wir haben nun eine Mobilitätsdatenverordnung, die auch Akteure über den klassischen ÖPNV hinaus dazu verpflichtet, Mobilitätsdaten in Echtzeit bereitzustellen. In den kommenden Jahren sollen die Bereitstellungspflichten noch um ein Mobilitätsdatengesetz ergänzt werden. Fahrgäste der öffentlich zugänglichen Mobilität können sich darauf freuen, dass die Informationslage in Echtzeit und deren Prognose zusehends besser wird. Gleichzeitig wird damit für uns der Datenschutz ein wichtiges Thema sein.
Dr. Andreas Leistikow: Bei der Vernetzung und Beauskunftung multimodaler Mobilität wird auch die Künstliche Intelligenzhelfen. Dank Technologien wie ChatGPT können nicht nur Hausaufgaben mithilfe von Chat-Bots erledigt werden. Unser Kundenservice soll sich entsprechend weiterentwickeln und auf Chat-Bot-Lösungen setzen. Wichtig ist jedoch vor allem, die Validität der herausgegebenen Daten zu prüfen. Zu diesem Zweck wird die zentrale Wissensdatenbank in NRW aufgebaut.
Dr. Maximilian Müller: Wir haben in den vergangenen fünf Jahren viele Projekte wie On-Demand-Ridepooling oder ID-Ticketing sowie insbesondere auch den Einsatz Künstlicher Intelligenz angestoßen, die noch nicht abgeschlossen sind und die wir weiter fokussieren müssen, sei es mit Blick auf Effizienz, finanzielle und personelle Ressourcen oder auch neue gesetzliche Rahmenbedingungen. Für die zukünftige Ausrichtung der digitalen Mobilitätslandschaft in der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW werden wir den Dialog mit den Gestalter:innen des NRW-Nahverkehrs fortführen und im Schulterschluss mit dem Landesprogramm MaaS NRW einen breiten Beteiligungsprozess anstoßen.