Über die Smart Ticketing Alliance tauschen sich europäische Standardherausgeber und Verkehrsunternehmen aus, bei denen Account Based Ticketing aufgrund der Struktur des ÖPNV schon länger im Einsatz ist.
Account-Based Ticketing (ABT) oder auch ID-Ticketing, der kontobasierte Vertrieb einer Fahrtberechtigung, ist ein viel diskutierter Ansatz in der Weiterentwicklung des digitalen Ticketings. In Nordrhein-Westfalen wurden mit BONNsmart und easyConnect im Aachener Verkehrsverbund zwei regionale Projekte ins Leben gerufen, deren Vertriebstechnik auf Account- bzw. ID-basiertem Ticketing beruht: Grundlagenarbeit für eine zukünftige Integration europaweiter ABT-Systeme.
Mit BONNsmart ging im September 2020 nicht nur in NRW, sondern bundesweit das erste Projekt zum Account-basierten Ticketing an den Start. BONNsmart zielte vor allem auf den Einsatz von Bankkarten auf beliebigen Medien wie Debit- oder Kreditkarte, Smartphone oder Smartwatch und die dafür notwendige Infrastruktur – ähnlich wie die Systeme, die beispielsweise Transport for London mit VISA und Mastercard oder die Niederlande mit OVpay eingeführt haben.
Über die Smart Ticketing Alliance tauschen sich europäische Standardherausgeber und Verkehrsunternehmen aus, bei denen Account Based Ticketing aufgrund der Struktur des ÖPNV schon länger im Einsatz ist.
Das zweite ABT-Projekt, easyConnect im Aachener Grenzland, verfolgt insbesondere den Aufbau einer Interoperabilitätsinfrastruktur zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden. Es gilt, systemtarifliche Unterschiede zwischen zwei europäischen Ländern zu überwinden und ein nahtloses Check-in/Check-out-Verfahren zu realisieren. Seit Oktober 2024 können Fahrgäste im Testkorridor zwischen Köln und Maastricht ihre Fahrten mit der naveo-App des Aachener Verkehrsverbundes starten und beenden. Die App erkennt während der Fahrt den Grenzübertritt und schaltet automatisch von den nordrhein-westfälischen Luftlinientarifen in NRW auf die niederländischen Streckenkilometer um. Die Preisbildung erfolgt automatisch durch die Kombination der jeweiligen eTarif-Module beider Länder.
Der Vorteil von easyConnect ist, dass es verschiedene eTicketing-Systeme miteinander verbindet. Dadurch können diese Systeme nahtlos zusammenarbeiten, ohne dass sie verändert werden müssen. Das erleichtert die Einführung von grenzenlosem eTicketing im Nahverkehr auch über die Region Aachen-Maastricht hinweg.
In der Diskussion über ABT-Projekte zeigt sich, dass es noch kein einheitliches Verständnis über das Verfahren gibt und verschiedene Systeme, Daten zu speichern und zu verarbeiten, damit verbunden werden. Hier die wichtigsten Begrifflichkeiten:
Mit dem Arbeitsdokument „Account-Based Ticketing“ bietet der VDV eTicket Service eine thematische Einordnung des kontenbasierten Tickets in organisatorischer und technischer Sicht.
Ein Account stellt ein Konto dar, das es Nutzer:innen ermöglicht, ÖPNV-Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Einem Account können mehrere ID-Medien bzw. Trägermedien zugeordnet werden.
Ein ID-Medium ist Träger einer ID (Identifikationsnummer). Die ID kann zum Beispiel auf der Chipkarte oder der Smartphone-App eines Verkehrsunternehmens hinterlegt sein, aber auch auf einer Kreditkarte oder über Bezahldienste wie Apple / Google Pay. Damit können Fahrgäste dann eine Fahrtberechtigung erwerben.
Account-Based Ticketing (ABT) und ID-based Ticketing werden i.d.R. synonym verwendet. Hier wird jedem Fahrgast eine eindeutige ID zugeordnet, die ihn mit einem Account (Konto) im Hintergrundsystem verbindet. Dort sind alle Kunden-, Ticket- und Tarifdaten gespeichert, die für Module wie die Fahrpreisberechnung notwendig sind. Der Erwerb der Fahrtberechtigung kann über verschiedene Nutzermedien wie SmartCards, Kreditkarten oder das Smartphone und einen aktiven Check-in vor Fahrtbeginn erfolgen. Dabei ist diese Fahrtberechtigung nicht auf dem für den Check-in verwendete Nutzermedium gespeichert, sondern ist in einem digitalen Hintergrundsystem hinterlegt.
Beim Media-Based Ticketing (MBT) liegen die Ticketinformationen auf einem definierten Trägermedium. Dieses Medium kann sowohl eine Chipkarte als auch eine Smartphone-App sein. (((eTicket Deutschland ist derzeit ein Media Based Ticketing-System.
Das EMV-Based Ticketing erfordert keine Registrierung beim Verkehrsunternehmen, sondern nutzt vorhandene Zahlungsmittel der Fahrgäste wie Kredit- oder Debitkarten, die den EMV-Standard (Europay, MasterCard und Visa) unterstützen, oder Dienste wie Apple Pay und Google Pay. Voraussetzungen sind ein Open-Loop-System, das die Nutzung verschiedener ID-Medien ermöglicht, sowie die Freischaltung der Bezahlmethode „Travel“ seitens der jeweiligen Bankinstitute.
In Media-Based-Ticketing-Systemen sind der Fahrschein und die zugehörigen relevanten Informationen auf einer Chipkarte, einem Smartphone oder einem anderen Medium gespeichert. Die Informationen werden lokal durch Terminals oder Prüfgeräte verarbeitet und – in der Regel im Laufe von 24 Stunden – in zentralen Hintergrundsystemen abgeglichen. Das Account-Based-Ticketing dreht die Logik des Speicherortes um. Mit zunehmender Online-Verfügbarkeit ist es möglich, die Daten nicht mehr dezentral zu verteilen, sondern an einem Ort zentral zu speichern und zu verarbeiten.
Mit dem Weißbuch zum Account-Based Ticketing leisten die Partner:innen der ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW wichtige Grundlagenarbeit. Das Kompetenzcenter Digitalisierung NRW (KCD) hat dieses gemeinsam mit der Rhein-Main-Verkehrsverbund Servicegesellschaft (rms) im Februar 2024 erarbeitet, um ein grundlegendes Verständnis für die Verfahren und Prozesse des Account Based Ticketings vermitteln. Das Weißbuch zeigt anhand von idealtypischen Modellen die Möglichkeiten und Potenziale eines kontenbasierten Ticketings für den ÖPNV auf. Dabei werden zwei Modelle vorgestellt, die auf einem bundesweiten Deutschlandticket-Angebot basieren. Es werden Vertriebs- und Kontrollprozesse sowie weitere Teilaspekte des Vertriebssystems wie Organisation, Datenschutz, Interoperabilität und Kosten erläutert und mit dem klassischen Standard (((eTicket Deutschland verglichen. Auf dieser Basis kann eine Machbarkeitsstudie für ein deutschlandweites Account-Based Ticketing vorbereitet werden. Es gilt, mögliche Verfahren und Systeme auf fachliche und technische Vorteile hin auszuwerten und so ein Modell zu entwickeln, das im Anschluss auch standardisiert wird.
Account-Based Ticketing bietet zahlreiche fachliche und technische Vorteile im Vergleich zu den bisherigen eTicket-Verfahren nach der VDV-Kernapplikation. Durch den Verzicht auf Transaktionen mit einem Nutzermedium bei Ausgabe und Kontrolle der Fahrtberechtigung könnten die Anforderungen für ein adäquates Sicherheitsmanagement deutlich einfacher und damit kostengünstiger zu erfüllen sein.
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Grafik © ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW auf Basis einer rms-Illustration