Fahrplanauskünfte
durch Sprachabruf
27. Mai 2022
Bus- und Bahnfahren mit dem digitalen Assistenten
Ein Sprachassistent soll Nahverkehrskund:innen in NRW eine weitere digitale Kommunikationsmöglichkeit bieten und mehr Barrierefreiheit schaffen.
Mit dem Projekt „mobil.nrw – digitale Assistenten“ entwickelt die ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW eine moderne Sprachsteuerung für die Apps und Auskunftssysteme im NRW-Nahverkehr. So können Fahrgäste künftig alle gewünschten Informationen für eine Bus- oder Bahnverbindung im vollautomatisierten Kundendialog abfragen.
Digitale Assistenten namens Alexa, Bixby, Siri und all ihre „Geschwister“ haben bereits in viele Haushalte Einzug genommen. Durch Sprache gesteuert, bieten sie einfache Zugänge zu digitalen Diensten. Auch Verkehrsunternehmen nutzen diese Services für einen vollautomatisierten Fahrgastdialog. Die Systeme externer Anbieter können die Anforderungen von Nahverkehrskund:innen allerdings nicht umfänglich erfüllen, zudem fehlt es an Transparenz beim Datenschutz. Durch das Projekt „mobil.nrw – digitale Assistenten“ sollen nun alle ÖPNV-Partner im NRW-Nahverkehr einen digitalen Assistenten als zusätzliches Serviceangebot in ihre Apps und Auskunftssysteme einbinden können. Der vollautomatisierte Kundendialog mit Sprachassistenz schafft auch ein Stück weit mehr Barrierefreiheit in Apps. Projektleiter Andreas Zylla erläutert den aktuellen Projektstand.
Nach der Postbank Digitalstudie 2020 nutzen 45 Prozent der Deutschen digitale Sprachassistenten über entsprechende Apps auf dem Smartphone oder Smart Speaker in den eigenen vier Wänden. In einer Umfrage von SPLENDID Research gaben 60 Prozent der Befragten an, dass sie schon einmal ein Gerät mit Hilfe einer Sprachsteuerung bedient haben, 30 Prozent rechnen sich zu den Intensivnutzer:innen.
Welche Mehrwerte bietet der digitale Sprachassistent für den NRW-Nahverkehr?
Andreas Zylla: Der digitale Sprachassistent ist vollautomatisiert und flexibel. Er erweitert das bestehende Kommunikationsangebot und schafft für die Kund:innen des NRW-Nahverkehrs echte Mehrwerte, indem er mit ihnen anhand von definierten Dialogflüssen interagiert. Das vereinfacht die Suche nach Haltestellen und die Abfrage von Verbindungen. Der digitale Sprachassistent fördert zugleich auch die Barrierefreiheit, indem notwendige Zugangsinformationen einfach abgefragt werden können. Für viele Menschen mit Mobilitätseinschränkungen kann der digitale Assistent eine hilfreiche Unterstützung sein. Die Umsetzung im Projekt soll auch die Entwicklung in diesem Bereich vorantreiben.
Die Verkehrsunternehmen und -verbünde profitieren von diesem Projekt, da sie ihre eigenen Apps mit geringem Aufwand aufwerten können. Der digitale Sprachassistent ist ein diskriminierungsfreies Tool, das in jede App-Technologie vom jeweiligen Hersteller integriert werden kann.
Warum braucht der NRW-Nahverkehr einen eigenen digitalen Assistenten und nutzt nicht die am Markt vorhandenen Lösungen, zum Beispiel den Alexa-Skill?
Andreas Zylla: In der Tat haben wir zunächst an die Nutzung eines Alexa-Skills gedacht und sogar ein Projekt unter dem Namen „mobil.nrw – Alexa Pilot Sprachassistenz-Systeme“ gestartet. Allerdings entspricht die Nutzung eines solchen Skills nicht dem Transparenz-Grundsatz gemäß Datenschutz-Grundverordnung. Zudem ist er auf die spezifischen Anforderungen im Nahverkehr nicht ausgelegt. Deshalb haben wir das Projekt unter dem Namen „mobil.nrw – digitale Assistenten“ neu aufgelegt und es wesentlich weitergedacht. Dabei nutzen wir die Ergebnisse aus dem Vorgängerprojekt, denn wir hatten dieses mit einem anwendungsreifen Produkt quasi schon finalisiert.
Da Sprachassistenten keine menschlichen Akteure sind, sondern softwaregesteuerte Geräte, müssen sie sehr präzise Anweisungen bekommen, um die richtigen Antworten zu liefern. Für den digitalen Sprachassistenten im NRW-Nahverkehr haben die beauftragten Dienstleister, die PROJEKTIONISTEN, eine Natural Language Understanding Engine (NLU) bereitgestellt, projektspezifisch trainiert und in die Middleware integriert. Mit Hilfe von Machine Learning Verfahren können auch bisher unbekannte Eingaben von Nahverkehrskund:innen erkannt und ausgewertet werden.
Auf welchen technischen Lösungen setzt der digitale Sprachassistent auf?
Andreas Zylla: Aus dem Vorgänger-Projekt steht eine Middleware-Lösung zur Verfügung, die Sprachanfragen der Nutzer:innen annimmt und beantwortet. Diese werden zunächst als Sprache in Text (STT) umgewandelt, die Antwort erfolgt praktisch umgekehrt und wird aus Text für den Nutzer wieder in Sprache (TTS) umgewandelt. Diese Logik greift auch bei der Konzeption des App-Moduls. Darüber hinaus wird eine Schnittstelle bereitgestellt, sodass eine App die Assistentenfunktionalität des Moduls aufrufen kann, um sie beispielsweise in einem Menüpunkt zu hinterlegen. Im Gegensatz zur non-visuellen Kommunikation bietet das App-Modul als Maximallösung auch die Möglichkeit, Antworten grafisch aufzubereiten. Damit das Modul in jede App, unabhängig von der zugrundeliegenden Technologie, integriert und optisch angepasst werden kann, wird es nun als White-Label-Ausprägung erstellt. So besteht die Möglichkeit, verschiedene Mandanten, in diesem Fall verschiedene Verkehrsunternehmen und -verbünde, separat voneinander zu behandeln. In die Middleware wird die diskriminierungsfreie TRIAS Schnittstelle für die Hintergrundsysteme implementiert.
Der digitale Assistent für den NRW-Nahverkehr kann als Plugin in bestehende Apps integriert werden. In einer Minimalvariante stellt das Assistenten-Modul folgende Funktionen bereit:
- SpeechToText: Umwandlung von Sprache in Text
- TextToSpeech: Umwandlung von Text in Sprache
- Kommunikation mit der Assistenten Middleware
Wann wird der digitale Assistent den Nahverkehrskund:innen in NRW zur Verfügung stehen?
Andreas Zylla: Nach unseren Planungen soll der digitale Assistent Ende des Jahres 2022 zur Verfügung stehen. Zunächst wird eine Demonstrator-App für die ÖPNV-Partner NRW erstellt. Diese soll aufzeigen, dass eine Integration in eine App mit geringem Aufwand möglich ist – und die einzelnen Verkehrsverbünde und -unternehmen motivieren, eine Integration in die eigene App anzustreben. Wann die Nahverkehrskund:innen in NRW den digitalen Assistenten nutzen können, hängt somit von der Einbindung in die erste(n) ÖPNV-App(s) ab.
Unser Ziel ist es natürlich, dass viele Verkehrsunternehmen und -verbünde den digitalen Assistenten in ihre Apps integrieren. Nach der Umsetzung des Demonstrators und einer erfolgreichen Implementierung und Liveschaltung in die Apps der ÖPNV-Partner soll die Middleware konstant gepflegt und weiterentwickelt werden. Zusätzliche Features und Tools sollen für ein umfangreicheres Serviceangebot aufgebaut und implementiert werden. Im Idealfall erhält der Fahrgast über den digitalen Sprachassistenten nicht nur eine Sprachauskunft, sondern auch visuelle Informationen wie eine Verbindungsdetailansicht über die genutzte App. Zudem könnte die Middleware perspektivisch an viele weitere Clients wie WhatsApp, Facebook Messenger oder Twitter angeschlossen werden.
Fotos: © Antonio Guillem/Shutterstock.com (1),© ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW (2), © VRR AöR (3)