Geschäftsprozesse
weiter vereinfachen
26. Juli 2022
Prozessdigitalisierung Schülerticket
Gabriele Dorweiler vom KCD NRW erklärt die Vorteile digitalisierter Antragsverfahren bei Schülertickets und die notwendige technische Spezifikation einer Standardschnittstelle.
Im Projekt „Digitalisierung Schülertickets“ soll eine Standardschnittstelle zwischen Schulträgern und Verkehrsunternehmen vereinbart und technisch spezifiziert werden. Ziel ist ein medienbruchfreier Online-Antragsprozess für Schülertickets und Fahrkostenerstattungen, den Schulen, Schulträger und Verkehrsunternehmen landesweit übernehmen können.
Worauf zielt das Projekt „Digitalisierung Schülertickets“?
Gabriele Dorweiler: Der Prozess zur Beantragung von Schülertickets ist in allen nordrhein-westfälischen Verbundtarifen sehr aufwändig, da immer mehrere Akteure eingebunden sind. Da sind die Schüler:innen bzw. deren Erziehungsberechtigte als Antragsteller, dann die Schulen zur Erstellung von Schulbescheinigungen. Es folgen die Schulträger – also Kommunen oder freie Träger; diese müssen prüfen, ob ein Anspruch zum kostenlosen bzw. vergünstigtem Transport nach dem Schulgesetz NRW bzw. der Schülerfahrkostenverordnung besteht. Und nicht zuletzt sind da noch die Verkehrsunternehmen, die einen Abovertrag mit dem Kunden schließen und das Schülerticket ausgeben. Die sich aus diesen Strukturen ergebenden Geschäftsprozesse hatten wir im Vorgängerprojekt „Digitalisierung von EFM-Prozessen“ am Beispiel des VRR-Schokoticket in der Region Niederrhein und der Stadt Wuppertal analysiert. Dabei zeigte sich, dass die Prozesse noch größtenteils manuell ablaufen. Der Antrag erfolgt über ein Papierformular. Die Schule setzt als Nachweis den Schulstempel drauf. Das Formular wird über mehrere Stationen per Post versandt. Die Daten werden jeweils in die verschiedenen Verwaltungssysteme abgetippt. Die Schulträger ermitteln die Daten für jeden Antrag manuell und ermitteln die Entfernung zwischen Schule und Wohnort im besten Falle Online. In einigen Regionen werden auch die Tickets noch auf Papier ausgegeben.
Ziel des Projekts „Das digitale Schülerticket“ ist es, aufbauend auf einem Online-Verfahren für die Antragstellung einen digitalen und medienbruchfreien Prozess für die Antragprüfung bis einschließlich der Bestellung der Schülertickets zu entwickeln. Das Verfahren soll alle erforderlichen Prozessdetails der Antragsbearbeitung abbilden.
Technische Beraterin beim KCD NRW
Wie könnte ein digitales Antragsverfahren funktionieren?
Gabriele Dorweiler: Schüler:innen können ihr Schülerticket einfach über ein Online-Formular beantragen. Danach geht alles automatisch. Der Name und die Adressdaten werden gegen das Melderegister des Einwohnermeldeamts geprüft, für den Schulnachweis erfolgt ein Abgleich mit dem zentralen Schulverwaltungsprogramm „Schild-NRW“ und die Entfernung zwischen Wohnung und Schule wird automatisch berechnet. Anschließend erfolgt ein elektronischer Austausch der Daten zwischen Schulträger und Verkehrsunternehmen. Zudem werden alle Schülertickets in ganz NRW als elektronische Fahrkarten – Chipkarten, Handy- oder Onlinetickets – ausgegeben.
Profitieren denn auch die Verkehrsunternehmen davon?
Gabriele Dorweiler: Gerade in ländlichen Regionen bilden die Schüler:innen den Hauptanteil an Abokund:innen. Deshalb profitieren auch die Verkehrsunternehmen erheblich von der Prozessdigitalisierung. Während die Bearbeitung der Anträge aktuell große Personalressourcen erfordert, werden die Auftragsdaten zukünftig automatisch ins System übernommen. Zudem sind die Abläufe bei Direktkunden (Vollzahlern) und Anträgen über den Schulträger (vergünstigtes Ticket) gleich. Die Kundencenter sind in den Prozess gar nicht mehr involviert. Nicht zuletzt kann der Kundenbestand durch einen digitalen Austauschprozess besser aktuell gehalten werden – zum Beispiel im Falle eines Umzugs oder eines Schulwechsels sowie beim Schulabschluss.
Wo liegen die besonderen Herausforderungen des Projekts?
Gabriele Dorweiler: Die besondere Herausforderung bei diesem Vorhaben ist die Vielzahl an Beteiligten. Neben den 427 Kommunen in NRW als öffentliche Schulträger gibt es private Schulträger wie kirchliche Organisationen, Sozialwerke oder andere Vereine. Den Schulträgern stehen an die 100 Verkehrsunternehmen in NRW gegenüber. Die „ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW“ betrachtet den Prozess von Seiten der Verkehrsunternehmen, bei denen verschiedene Softwareprodukte zur Kundenverwaltung im Einsatz sind. Das Projekt „Digitalisierung der Prozesse beim Schülerticket“ setzt seinen Fokus darum auf die Entwicklung einer einheitlichen Schnittstelle zwischen Schulträgern und Verkehrsunternehmen.
In Nordrhein-Westfalen gibt es rund 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler. Viele beantragen jährlich sogenannte Schülertickets, Schulwegtickets oder Schülerzeitkarten, die von den Schulträgern der verschiedenen Schulformen in Kooperation mit den jeweiligen Verkehrsunternehmen ausgestellt werden. Die Grundlage dafür bildet die Schülerfahrkostenverordnung des Landes NRW.
Was beinhaltet diese Schnittstelle?
Gabriele Dorweiler: Die nötigen Inhalte der Austauschschnittstelle – also, welche Daten die Verkehrsunternehmen als Grundlage eines Abo-Vertrages (z. B. Bankdaten, Kundenkommunikation) und zur Ausstellung des Schülertickets (Tarifprodukt, räumliche Gültigkeit) benötigen, hat eine Arbeitsgruppe mit Expert:innen aus den Verkehrsunternehmen zusammengestellt. Dabei wurde der Grundsatz der Datensparsamkeit berücksichtigt, sodass die Verkehrsunternehmen nicht über die persönlichen Umstände des Antragstellers (z. B. Sozialhilfeempfänger) informiert werden.
Die Arbeitsgruppe arbeitet mit dem kommunalen Projekt zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in NRW zusammen. Durch den Dachverband kommunaler IT-Dienstleister (KDN) wird ein Onlinezugang für Schüler:innen geschaffen. Das Projekt umfasst die Erstellung eines Servicekontos zur Registrierung sowie eines Online-Formulars zur Antragstellung und berücksichtigt dabei auch Sonderfälle. Die Datenschemata von Online-Formular und Datenschnittstelle wurden miteinander abgestimmt.
Im nächsten Schritt wird die Datenschnittstelle in Abstimmung mit Schulträgern und Verkehrsunternehmen technisch spezifiziert. Dabei werden die Formate der einzelnen Datenfelder, der Aufbau der Datenstruktur und das Verfahren zum Austausch der Datensätze festgelegt und dokumentiert. Die Spezifikation der Schnittstelle soll im Laufe dieses Jahres erfolgen.
Und wie geht es weiter?
Gabriele Dorweiler: Die neue Schnittstelle zwischen Schulträgern und Verkehrsunternehmen soll zunächst im Rahmen eines Pilotprojektes umgesetzt und dann auf andere Systeme in NRW ausgedehnt werden. Derzeit ist eine erste Umsetzung in Ostwestfalen geplant, die vom Kompetenzcenter Digitalisierung begleitet wird.
- Im Rahmen eines Fördervorhabens der Digitalen Modellregion unter Federführung der Städte Gütersloh und Bielefeld wird ein Antragsdienst für Schüler:innen, Schulen und Schulträger entwickelt. Das System bietet eine automatisierte Antragsprüfung basierend auf dem Abgleich mit bestehenden Daten und baut auf dem OZG-Projekt des KDN auf. Die Inbetriebnahme bei den Städten Gütersloh und Bielefeld ist zum Schuljahr 2023/2024 geplant.
- Zudem bietet der WestfalenTarif in einem großangelegten Pilotprojekt das „SchülerTicket Westfalen“ als neues Produkt an. Die Schulträger entscheiden, ob das Ticket im Fakultativ- oder im Solidarmodell angeboten wird. Schüler:innen können dieses Abo dann nicht nur für die Fahrt zur Schule, sondern auch im Freizeitbereich in ganz Westfalen nutzen.
- Schließlich wird in der Region Ostwestfalen die Ausgabe der Schülertickets zentral über die Servicegesellschaft der Verkehrsunternehmen „OWL Verkehr“ organisiert. Es ist geplant, die bisherigen Papiertickets durch Handytickets abzulösen.
Fotos: © VRR AöR (1+2) © ÖPNV Digitalisierungsoffensive NRW (3)